Feentod
Du wirst hier abräumen und Spaà haben. Und alle Kerle werden danach scharf auf dich sein!«
»Ach hör auf.«
»Nein, echt! Du wirst das super machen. Ich freue mich schon tierisch darauf, dir von hier unten zuzujubeln. Und vielleicht treffe ich sogar Hagen vor deinem Auftritt. Dann kann er gleich mal sehen, was für eine tolle Freundin ich habe! Nur wehe, er fährt zu sehr auf dich ab«, plapperte Alina weiter und Noraya musste lachen.
»Da musst du keine Angst haben«, sagte sie und nahm Alina in den Arm. Nach ein paar schweigenden Momenten, in denen sie einfach nur die Nähe ihrer Freundin genoss, löste sich Noraya langsam. »Jetzt muss ich mal los, fürchte ich.«
Alina begleitete sie noch zu ihren Bandkollegen, die sich schon am Treffpunkt versammelt hatten. Dann verabschiedete sie sich, um noch eine Weile über das Gelände zu streifen. »Drück mir die Daumen, dass ich Hagen über den Weg laufe«, lachte sie verschmitzt und Noraya entging nicht, dass Gereon ihrer Freundin enttäuscht hinterherblickte.
»Wir werden heute die beste Mugge aller Zeiten rocken. Ich habe jetzt schon Spaà dabei, Leute!«, platzte es aus dem sonst so stillen Anton heraus. Und nicht nur er war aufgedreht. Auch alle anderen Mitglieder von Engelhauch spürten die Besonderheit des Augenblicks. Endlich hatten sie die Chance, nicht nur vor groÃem Publikum, sondern auch vor der Presse ihr Können unter Beweis zu stellen. Einzig Noraya konnte sich darüber nicht freuen.
Als nach dem Soundcheck ein Mann von der Zeitung an sie herangetreten war, um zu erfahren, wer sie seien, woher sie kämen und wann sie auftreten würden, hätte Noraya sich am liebsten unter der Bühne verkrochen. Nicht auszudenken, wenn das Unwahrscheinliche eintreten und ausgerechnet Engelhauch in der Tageszeitung vorgestellt würde. Dann wäre der Auftritt mit Sicherheit ihr letzter gewesen.
Es blieb nur noch eine gute halbe Stunde bis zum Auftritt und Noraya lief zum Zeltplatz. Zum Glück war es wirklich nicht weit. Sie musste nur das Festivalgelände durch den Seiteneingang am alten römischen Grabmal verlassen, dahinter führte ein kurzer Weg hinab zum Zeltplatz. Alina war noch nicht zurück. Schnell schnappte sie sich Klamotten und Schminkzeug und beeilte sich, zu den Sanitäranlagen zu kommen. Die Klamotten waren rasch gewechselt. Erst als sie sich den Lidstrich zog, bemerkte sie, dass ihre Hände leicht zitterten. Die Aufregung! Um sich nicht noch mehr hineinzusteigern, sperrte sie sich in einer der Toilettenkabinen ein, stellte sich mit dem Gesicht gegen die Tür, schloss die Augen und beobachtete ihren Atem. Sie atmete bis in die FuÃsohlen, dann spürte sie ihre Knie, die Hüften, die Schultern, die Arme, die Schädeldecke und den Mund. Nach weniger als fünf Minuten fühlte sie sich erheblich besser. Sie war nun so sehr mit sich beschäftigt, dass sie sich überhaupt keinen Kopf darum machte, als sie nach den Atemübungen auch noch mit ein paar Stimmübungen begann. Sie seufzte sirenenartig, lieà wie ein kleines Baby die Luft durch die flatternden Lippen entweichen und sang lauthals Dreiklänge.
Hoffentlich steht hier niemand, der meine Ãbungen mit angehört hat, dachte sie, als sie die Toilettenkabine wieder verlieÃ. Sie hatte Glück. Niemand auÃer ihr war im Raum. Noraya trat noch einmal zum Waschbecken und lieà sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen. Sie nutzte den Moment, um ihr Spiegelbild zu betrachten. Das Grün ihrer neuen Bluse lieà die Farbe ihrer Augen noch stärker leuchten. Im Stillen musste sie Alina wieder einmal recht geben: Das Outfit war wirklich klasse!
»Vielen Dank, dass wir hier sein dürfen! Wir haben ein paar neue und ältere Songs mitgebracht. Wir hoffen, sie gefallen euch! Letâs go!«, rief Vale gut gelaunt ins Mikro. Die Zuhörer, die alle in das weiche rötliche Licht der Abendsonne getaucht waren, klatschten begeistert. Vorne an der Bühne standen einige treue Fans von Engelhauch, die ordentlich für Stimmung sorgten. Vale zwinkerte Noraya aufmunternd zu, als er ihr das Mikro wieder in die schweiÃnasse Hand drückte und nach seiner Gitarre griff. Dann schlug Gereon die Sticks gegeneinander und auf den fünften Schlag war sie da, Norayas weiche, warme und tragende Stimme. Ganz ohne Zittern sang sie den ersten Song und mit jedem Takt spürte sie,
Weitere Kostenlose Bücher