Feentod
gekommen war. Plötzlich unterbrachen sie ihr Spiel für eine Schweigeminute.
»Letztes Jahr ist hier ein Junge gestorben. Wir haben für Nick einen Song geschrieben, damit er nicht in Vergessenheit gerät«, sagte der Sänger der Band. Dann fassten sich alle für eine Minute an den Händen, um diesem Nick zu gedenken.
Noraya erinnerte sich sehr gut an den traurigen Vorfall. Der 18-Jährige war letztes Jahr im Suff von der Festungsmauer gestürzt. An manchen Stellen ging es auf der alten Wehranlage über acht Meter in die Tiefe und für Nick war jede Hilfe zu spät gekommen. Er war noch an der Unfallstelle verstorben. Wirklich tragisch, dachte Noraya, und als die Band das Lied anstimmte, was sie für Nick geschrieben hatten, standen vielen Zuhörern die Tränen in den Augen. Obwohl Noraya den armen Kerl nicht gekannt hatte, musste auch sie ein paar Mal schlucken. Die Vorstellung, dass der Junge einen blöden Rausch mit dem Leben hatte bezahlen müssen, machte sie fertig.
Als Alina auch drei Songs später noch nicht wieder aufgetaucht war, wurde es Noraya zu blöd. Verärgert machte sie sich auf den Weg zum Zeltplatz. Vielleicht war Alina ja dort? AuÃerdem brauchte sie dringend eine Jacke. Mit der hereingebrochenen Dämmerung war auch die Luft merklich abgekühlt. Aber auch beim Zelt war Alina nicht. Sie wird mich doch nicht vergessen haben? Noraya spürte, dass sie ziemlich enttäuscht war. Ausgerechnet an einem so tollen Abend! Hastig kramte sie ihr Handy aus dem Rucksack und rief bei ihrer Freundin an.
»Ey Nora«, ging diese sofort ran. »Wo steckst du?«
»Beim Zelt. Wo seid ihr?«
»Ich ziehe mit Hagen herum. Komm später zum Seiteneingang. Wir treffen uns am Denkmal.«
»Okay. In fünf Minuten bin ich da.«
»Warte mal kurz«, rief Alina. »Hagen will mir noch schnell etwas zeigen. Wie wäre es in einer halben Stunde?«
»Ãhm. Ja, na gut. Bis dann.« Noraya schaute perplex ihr Handy an. »Na super!«, sagte sie laut und stopfte es genervt in ihre Jackentasche. Jetzt darf ich eine halbe Stunde lang alleine über das Festival laufen, um dann mit zwei frisch Verliebten abzuhängen. Irgendwie hatte sich Noraya das Danach ihres groÃen Auftrittes ganz anders vorgestellt.
Mittlerweile war es fast überall auf dem Festivalgelände so voll wie vor der Bühne. An den kulinarischen Ständen drängten sich Massen von Leuten und dazwischen liefen bunte Stelzengänger, Jongleure und andere Akteure herum. Es duftete verführerisch nach allerlei Leckereien und Norayas Magen meldete sich. Vor dem Konzert hatte sie keinen Bissen heruntergebracht und jetzt hatte sie umso mehr Appetit. Sie entschied sich für ein gefülltes Fladenbrot mit Pitakäse und Hackfleisch. Es schmeckte fantastisch. Inzwischen war die Beleuchtung angegangen, die dem bunten Treiben eine ganz besondere Atmosphäre verlieh. Ãberall in den hohen Bäumen waren Lichterketten gespannt und die alten Gebäude der Zitadelle waren in schummriges Licht getaucht. Von der groÃen Bühne wurden Musikfetzen über das Gelände getragen.
Noraya war von der Stimmung so in den Bann gezogen, dass sie fast die Zeit vergessen hätte. Im Schnellschritt lief sie zum Treffpunkt. Dort war eine kleinere Bühne, um die sich eine groÃe Menschentraube gebildet hatte. Angestrengt hielt Noraya Ausschau nach Alina. Vergebens. Und als sie etwas später zum Handy griff, erwischte sie nur die Mailbox der Freundin. »Bin bei der kleinen Bühne und warte dort auf euch«, hinterlieà sie als Nachricht.
Um sich die Wartezeit zu verkürzen, gesellte sie sich zu den anderen Leuten im Publikum. Manche Vorführungen waren richtig genial. Hin und wieder zückte sie ihr Handy und sah nach, ob sich Alina gemeldet hatte. Aber selbst nach weiteren 20 Minuten des Wartens kam kein Lebenszeichen von ihr.
»Wo steckst du? Ich warte jetzt nicht mehr auf dich. Bin unterwegs. Schade eigentlich!«, sprach sie ihr dann zum letzten Mal für diesen Abend auf die Mailbox und stapfte verärgert davon. Diese treulose Tomate. Wenn sie einen Typen an der Angel hat, ist sie manchmal echt zum Andie-Wand-Klatschen!
Noraya trottete lustlos zur groÃen Bühne. Jetzt wollte sie wenigstens noch die Atmosphäre des Festivals genieÃen. Vielleicht spielte ja eine Band, die sie kannte. Und tatsächlich. Als sie den Platz erreichte,
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