Feentod
man, wenn man eine echte Drohung bekommt, die nicht löscht!«
Schon wieder Hagen! Noraya stöhnte innerlich auf und konterte mit ironischem Unterton: »Tja, dein Hagen scheint ja einer zu sein, der sich in allem bestens auskennt. Das nächste Mal, wenn mir wieder etwas Unbekanntes auffällt, das mich ein klitzekleines bisschen in Aufregung versetzt, kontaktiere ich ab sofort nur noch Hagen!«
»Du tickst ja nicht richtig!«, fuhr Alina sie an.
»Und ich finde, du übertreibst es manchmal ein bisschen, wenn du verknallt bist. Hagen kennt mich doch gar nicht. Was mischt der sich überall ein.«
»Ach, jetzt ist wohl Hagen daran schuld, dass du auf so einen doofen Scherz reingefallen bist?« Alinas Stimme überschlug sich.
»Ich wäre sehr froh, wenn das wirklich nur ein doofer Scherz war, Alina. Aber leider bin ich mir da nicht so sicher«, entgegnete Noraya.
»Ich mir schon. Und jetzt muss ich los. Hagen wartet nämlich schon seit fünf Minuten hier auf mich!«
»Alina!«, versuchte es
Noraya noch einmal, aber da tutete es bereits in der Leitung. Noraya biss sich auf die Unterlippe, sie spürte die Hitze in ihren heiÃen Wangen und ihren Augen. Wie war es auf einmal zu diesem Streit gekommen? Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Warum glaubt Alina, ich würde mir diese Schattengeschichte nur einbilden? Dass die Freundin ihre Familienprobleme schon wieder so hinstellte, als würde Noraya übertreiben, machte sie richtiggehend wütend. Natürlich war Noraya es gewöhnt, dass andere Freundinnen, die ihre Situation nicht so gut kannten oder zum ersten Mal davon etwas mitbekamen, oft glaubten, sie müsste nur aufsässiger sein, sich mehr Freiheiten erkämpfen. Aber Alina? Die wusste doch über alles Bescheid! Hatte doch schon selbst ein paar Mal erlebt, wenn Eliah Al Ibi einen seiner Ausraster hatte. Neulich erst hatte Alina hautnah mitbekommen, wie Helia wegen einer zehnminütigen Verspätung zu drei Tagen Hausarrest verdonnert worden war. Und jetzt hatte sie nichts Besseres zu tun, als die MutmaÃungen ihres göttlichen Hagens nachzuplappern. Wütend lieà sich Noraya aufs Bett fallen und schlug mit der Faust nach einem Kissen. Sie hatte gar keine Lust mehr, ihre immer stärker brodelnde Wut zu bekämpfen. Lebhaft konnte sie sich vorstellen, wie Alina in diesem Moment Hagen brühwarm von ihrem Telefonat berichtete. Mit verstellter Stimme ahmte Noraya das Gespräch nach.
(Hagen:) »Schätzchen. Könnte es sein, dass deine Freundin sehr fantasiebegabt ist? Träumt sie vielleicht davon, ein groÃer Star zu sein und von unzähligen Fans verfolgt zu werden.«
(Alina:)»Oh Hagen. Du bist so ein genialer Analytiker. Wie konnte ich so blind sein, was Noraya betrifft.«
(Hagen:) »Aber nicht doch. Ich folge nur meinem gesunden Menschenverstand. Mädchen, die sich einbilden, von Schatten verfolgt zu werden, sind mir suspekt!«
»Führst du etwa Selbstgespräche?« Helia stand im Türrahmen und beobachtete entgeistert, wie ihre groÃe Schwester mit unnatürlicher Stimme vor sich hin keifte.
»Anklopfen, Hirni!«, kam prompt die Antwort, zusammen mit einem Kissen, das Helia knapp verfehlte. Noraya achtete gar nicht darauf. Sie schäumte vor Wut. Was denkt Alina sich! Ich ruf sie noch mal an. Sie schnappte sich das Telefon und tippte Alinas Handynummer ein. Aber sie erwischte nur die Mailbox. Egal, dachte sie. Dann sprech ich ihr halt auf Band, was ich ihr zu sagen habe.
»Ich binâs. Wollte dir nur mitteilen, dass ich stinksauer bin. Wir kennen uns jetzt über zehn Jahre, Alina. Und dir fällt nix Blöderes ein, als dir von einem Typen, der mich überhaupt nicht kennt, einflüstern zu lassen, wie ich bin! Das warâ s auch schon. Frohes Weiterlästern wünsche ich!« Noraya beendete das Telefonat und spürte, wie nach und nach die Wut nachlieÃ. Irgendwie hatte sie das gebraucht.
Um den Kopf freizubekommen, setzte sich Noraya an ihren Schreibtisch und fuhr den PC hoch. Sie öffnete den Ordner »Songtexte« und klickte auf die Datei: Dreh die Zeit zurück. Dahinter verbarg sich ein neuer Songtext, an dem sie seit ein paar Tagen arbeitete. Streng genommen konnte man gar nicht richtig von »Arbeiten am Text« sprechen, eher handelte es sich um ein Sammelsurium von Gedanken, die sie sich von der Seele schreiben musste. Sosehr sie auch
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