Feenzorn
ein paar Stücke Pizza auf einen Pappteller und reichte ihn ihr. »Greifen Sie zu.«
»Also gut, Karrin«, sagte Georgia mit verschränkten Armen. »Wenn Sie keine fünfundzwanzigtausend Dollar teure Operation und sieben oder acht Monate Rehabilitation riskieren wollen, sollten wir Sie ins Krankenhaus bringen.«
Murphy runzelte die Stirn, dann nickte sie. »Lassen Sie mich vorher noch was essen. Ich bin am Verhungern.«
»Ich hole schon mal das Auto«, bot Georgia an. Dann wandte sie sich an Billy. »Pass auf, dass sie das Bein nicht belastet, wenn du sie nach unten bringst. Sie soll es möglichst gerade halten.«
»Alles klar«, sagte Billy. »Phil, Greg, holt die Decke da. Wir bauen eine Trage.«
»Ich bin doch kein Kleinkind«, protestierte Murphy.
Beschwichtigend legte ich ihr eine Hand auf die Schulter.
»Immer mit der Ruhe«, sagte ich leise. »Die schaffen das schon.«
»Ich kann auch selbst runtergehen.«
»Sie sind verletzt«, erinnerte ich sie. »Wenn es einer Ihrer eigenen Leute wäre, dann würden Sie ihm jetzt empfehlen, den Mund zu halten und aufzuhören, ein Teil des Problems zu sein.«
Darauf starrte sie mich finster an, was aber nicht ganz so beängstigend wirkte, weil sie mit vollem Munde Pizza kaute.
»Ja, schon gut. Ich lass mich nur nicht gern aus dem Spiel nehmen.«
Ich brummte mitfühlend.
»Was werden Sie jetzt tun?«, wollte sie wissen.
»Die Cola austrinken.« Ich zuckte die Achseln. »Darüber hinausgehende Pläne habe ich noch nicht.«
Sie seufzte. »Na gut, jetzt passen Sie mal auf. Ich müsste in ein paar Stunden wieder zu Hause sein. Dann werde ich Nachforschungen anstellen und versuchen, etwas über Lloyd Slate herauszufinden. Wenn Sie sonst noch Informationen brauchen, melden Sie sich.«
»Sie müssen sich ausruhen«, wandte ich ein.
Mit einer Grimasse betrachtete sie ihr stark angeschwollenes Knie. »Mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben.«
Wieder brummte ich und wandte den Blick ab.
»He«, sagte Murphy. Als ich ihren Blick nicht erwiderte, fuhr sie fort: »Was mir passiert ist, war nicht Ihre Schuld. Ich kannte die Risiken und bin sie freiwillig eingegangen.«
»Das hätten Sie nicht tun müssen.«
»Niemand sollte so etwas tun müssen, aber wir leben nun einmal in einer unvollkommenen Welt. Dies nur für den Fall, dass Sie es noch nicht bemerkt haben.« Sie knuffte mein Bein mit ihrem Ellbogen. »Außerdem hatten Sie Glück, dass ich dabei war. Wie ich es sehe, hatte ich die Stiefel an.«
»Was hatten Sie?« Beinahe hätte ich gelächelt.
»Ich habe die Stiefel angezogen«, sagte Murphy, »und einem Ungeheuer in den Hintern getreten. Ich habe den Ghul erledigt und diesem Pflanzenmonster die Kettensäge in den Kopf gerammt. Den Oger habe ich auch verstümmelt. Was haben Sie eigentlich beigetragen? Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie eine Dose Brennpaste nach ihm geworfen. Das war keine große Hilfe.«
»Ja, aber vorher habe ich ihn mit Benzin übergossen.«
Sie schnaubte mit vollen Backen. »Wollen wir abrechnen?«
»Meinetwegen.«
»Murphy gegen Dresden: drei zu null.«
»Sie haben nicht alles alleine gemacht.«
»Ich hatte die Stiefel an.«
Abwehrend hob ich beide Hände. »Na gut, na gut. Sie haben… Sie hatten die Stiefel an, Murph.«
Schniefend trank sie fast zaghaft einen Schluck Cola. »Ein Glück, dass ich dabei war.«
Ich drückte ihre Schulter. »Ja«, stimmte ich zu. »Danke.«
Lächelnd schaute sie zu mir auf. Einer der Alphas, der am Fenster stand, rief herüber: »Das Auto ist da.«
Billy und zwei weitere Helfer legten eine Decke auf den Boden und hoben Murphy vorsichtig darauf. Sie nahm es mit verdrehten Augen hin, zuckte jedoch bei fast jeder Bewegung vor Schmerzen zusammen.
»Rufen Sie an«, sagte sie.
»Mach ich.«
»Und passen Sie auf sich auf, Harry.« Dann trugen die Alphas sie hinaus.
Ich holte mir noch etwas Pizza, schwatzte noch eine Weile mit den Alphas über Belanglosigkeiten und zog mich schließlich aus dem überfüllten Wohnzimmer auf den Balkon zurück. Hinter mir schob ich die Glastür zu. Auf dem Parkplatz brannte nur eine einsame Laterne, deshalb lag der Balkon überwiegend im Dunkeln. Es war eine stickige, schwüle Sommernacht, trotzdem war mir hier draußen wohler als in der engen Wohnung.
Unten luden Billy und die Alphas Murphy in einen Minivan und fuhren los. Dann wurde es so still, wie es in Chicago nur werden kann. Aus der Ferne hörte ich das ewige Brausen des Straßenverkehrs, hin und wieder
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