Feenzorn
ich längst die Arme vor der Brust verschränkt. Seine dunklen Roben wallten, die tiefe Kapuze verbarg sein Gesicht, er trug Handschuhe und hielt einen hölzernen Stab.
Der Türhüter betrachtete mich eine Weile schweigend. Dann hob er die freie Hand unter die Kapuze und gab ein seltsames ersticktes Geräusch von sich.
»Hi«, sagte ich, geistreich wie immer.
Seine Stimme klang, als hätte er eine halbe Tonne Gelächter heruntergeschluckt. »Ich grüße Sie, Magier Dresden. Störe ich Sie bei irgendetwas?«
Mein zweiter Stiefel klatschte auf den Boden. Mit geschürzten Lippen starrte ich meine baumelnden, vor Schlamm triefenden Socken an. »Nein, ich hab grad nichts Wichtiges vor.«
»Das ist gut«, sagte er. Er schritt ein wenig umher, sah mehrmals zu mir hoch und sagte schließlich: »Ihr Gürtel hat sich an einem Aststumpf verfangen. Setzen Sie den rechten Fuß auf den Ast unter Ihnen und packen Sie mit links den Ast über Ihnen, um den Gürtel zu befreien. Dann müssten Sie herunterklettern können.«
Ich befolgte seinen Vorschlag und erreichte wenig später mit all dem an mir haftenden Schlamm den sicheren Boden, »Danke«, sagte ich. Insgeheim dachte ich, dass ich fünf Minuten vorher wohl erheblich dankbarer gewesen wäre.
»Was tun Sie hier?«
»Ich suche Sie«, antwortete er.
»Haben Sie denn zugesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Eher gelauscht. Allerdings habe ich Sie hin und wieder kurz beobachtet. Die Lage in Chicago verschlimmert sich.«
»Bei den Sternen und Steinen«, sagte ich und hob meine Stiefel auf. »Ich habe keine Zeit zum Plaudern.«
Der Türhüter hielt mich auf. »Oh doch«, sagte er. »Meine Wahrnehmung ist begrenzt, aber ich weiß, dass Sie Ihren Auftrag für die Winterkönigin erledigt haben. Sie wird ihren Teil der Abmachung einhalten und uns freies Geleit durch ihr Reich gewähren. Was den Rat angeht, so reicht dies aus. Sie sind aus dem Schneider.«
Ich zögerte.
»Magier Dresden, Sie könnten an Ort und Stelle ihre Mitwirkung in dieser Angelegenheit einstellen und sich sofort zurückziehen. Damit wäre die Prüfung beendet.«
Meinem verletzten, müden, halb erstickten und verdreckten Selbst gefiel dieser Vorschlag sehr. Alles beenden. Nach Hause gehen. Heiß duschen. Etwas Warmes essen. Schlafen. Ich konnte sowieso nichts tun. Ich war nur ein müder, zerschlagener, erschöpfter Kerl, ob ich nun ein Magier war oder nicht. Die Feenwesen kannten viel zu viele Tricks und waren viel zu stark. Natürlich wusste ich, was Aurora beabsichtigte, doch sie wollte es inmitten eines Schlachtfeldes tun. Auf einem Schlachtfeld, das ich nicht einmal finden konnte, ganz zu schweigen davon, darauf zu überleben. Der Steintisch stand in einer eigenartigen Ecke des Niemalslandes, die anders war als alles, was ich bislang gesehen hatte. Nein, ich wusste nicht, wie ich dorthin gelangen sollte.
Unmöglich, sicher schmerzhaft und bestimmt viel zu gefährlich. Ich konnte Feierabend machen, ausschlafen und hoffen, ich würde mich beim nächsten Mal besser schlagen.
Dann sah ich Meryls Gesicht vor meinem inneren Auge, hässlich, müde und entschlossen. Ich sah Lily, zur Statue erstarrt. Elaine, in ihrer Zwangslage gefangen und trotzdem auf ihre Weise kämpfend, auch wenn sich alles gegen sie verschworen hatte. Ich dachte an den Auflöser, den Mutter Winter mir gegeben hatte und den ich für meine eigenen Zwecke einsetzen wollte, um Susan zu helfen. Jetzt würde er für etwas ganz anderes Verwendung finden, und sosehr ich das alles hier vergessen und einfach nach Hause gehen wollte, ich trug einen Teil Verantwortung dafür, wie der Auflöser eingesetzt würde.
Deshalb schüttelte ich den Kopf, bis ich ein paar Meter neben dem Sumpfloch, das Aurora geschaffen hatte, meine Tasche, meinen Schmuck, den Stab und den Stock bemerkte. Ich nahm alles wieder an mich. »Nein«, sagte ich. »Es ist noch nicht vorbei.«
»Nein?«, fragte der Türhüter überrascht zurück. »Warum denn nicht?«
»Weil ich ein Idiot bin«, seufzte ich. »Menschen sind in Gefahr.«
»Keiner erwartet von Ihnen, sich in einen Krieg zwischen den Höfen der Sidhe einzumischen. Der Rat würde niemandem so eine Aufgabe zumuten.«
»Zum Teufel mit den Höfen der Sidhe«, sagte ich. »Zum Teufel auch mit dem Rat. Menschen, die ich kenne, sind in Gefahr, und ich habe dies zum Teil mit ausgelöst. Ich muss aufräumen.«
»Sind Sie sicher?«, fragte der Türhüter. »Sie werden die Prüfung also nicht abbrechen?«
Mit den Fingern,
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