Feenzorn
unterstützen.«
Damit entfernte sie sich von mir und trat wieder neben den Mann, mit dem sie erschienen war. Inzwischen hatte ich ihn beinahe vergessen, und als ich ihn jetzt betrachtete, wurde mir der Grund bewusst. Er strahlte eine Ruhe aus, die man in seiner Nähe fast körperlich spüren konnte – leicht zu erfassen, aber schwer zu beschreiben. Seine Gesichtszüge, seine Haltung, alles an ihm verschmolz mit dem Hintergrund und ging in der Stille unter. Er war geduldig und ruhig wie ein Stein unter Mond und Sonne.
Er war von mittlerer Größe, vielleicht einen Meter siebzig bis einsfünfundsiebzig groß. Das Haar hatte er zu einem langen Zopf geflochten, und er war nicht mehr jung. Seine runzlige Haut war wie bronzefarbenes Leder unter einer roten Sonne, warm und abgenutzt. Die Augen unter den silbernen Augenbrauen waren dunkel und undurchdringlich, verrieten jedoch seine große Kraft. Sein Zopf war mit Adlerfedern geschmückt, als Schmuck trug er ein Halsband mit Knochenstücken und an einem Handgelenk ein Perlenarmband, das unter seiner schwarzen Robe hervorlugte. Mit verwitterter Hand hielt er einen einfachen, ungeschmückten Stab.
»Grünschnabel«, sagte Ebenezar, »das ist Lauscht dem Wind. Aber der Name ist mir zu anstrengend, obwohl ich sonst eher geschwätzig bin. Er kommt aus Illinois und ist Medizinmann. Deshalb nenne ich ihn einfach Indianerjoe.«
»Wie…«, setzte ich an. Vielleicht wäre es ein wenig ironisch gewesen, ihn zu fragen, wie es ihm ging, aber als etwas an meinem Fuß kratzte, unterbrach ich mich, stieß einen erschrockenen Schrei aus und sprang fort, um mich vor dem Pelzknäuel in Sicherheit zu bringen, das sich für meine Füße interessierte. Ich nahm mir nicht einmal die Zeit, genau zu untersuchen, was sich mir da unverhofft genähert hatte. Es war mal wieder einer dieser Tage.
Ich stolperte über meinen Stab und stürzte, rollte mich auf den Rücken, um meine Beine zwischen mein Gesicht und das Biest zu bekommen, das knurrend auf mich losging. Rasch zog ich einen Fuß zurück, um zu treten.
Es wäre nicht nötig gewesen. Ein Waschbär, und ein ziemlich kleiner dazu, stellte sich auf die Hinterbeine und zwitscherte mich empört an, das weiche graue Fell wild gesträubt, als wäre er mehrere Nummern größer. Ich könnte schwören, dass er mir mit den in der schwarzen Maske funkelnden Augen einen gereizten Blick zuwarf. Dann rannte er zu Indianerjoe und kletterte geschickt am Stab des alten Mannes hoch, balancierte über dessen Arm und setzte sich, immer noch zwitschernd und quietschend, auf seine Schulter.
»Äh«, quetschte ich heraus. »Wie geht es Ihnen?«
Der Waschbär zwitscherte wieder, Indianerjoe legte den Kopf schräg und nickte. »Gut. Aber Kleiner Bruder ist wütend auf dich. Er glaubt, wer so viel zu essen hat, sollte es teilen.«
Ich runzelte die Stirn, dann erinnerte ich mich an den halb gegessenen alten Schokoriegel in meiner Tasche. »Oh, richtig.« Ich zog ihn heraus, brach ihn durch und hielt dem Waschbären ein Stück hin. »Frieden?«
Kleiner Bruder stieß ein erfreutes Quietschen aus und schoss Indianerjoes Arm und den Stab herunter, bis er meine Hand erreichte. Er schnappte sich den Bissen und zog sich ein paar Schritte zurück, um ihn zu verspeisen.
Als ich aufblickte, stand Indianerjoe vor mir und reichte mir die Hand. »Kleiner Bruder bedankt sich. Er mag Sie übrigens. Freut mich, Sie kennenzulernen, Magier Dresden.«
Ich schlug ein und richtete mich wieder auf. »Danke, äh, Lauscht dem Wind.«
Ebenezar schaltete sich ein. »Indianerjoe.«
Indianerjoe zwinkerte mir zu. »Der Rassist aus dem Süden kann nicht lesen. Sonst wüsste er, dass er mich nicht mehr so nennen darf. Jetzt bin ich Ureinwohnerjoe.«
Daraufhin lachte ich, auch wenn ich nicht ganz sicher war, ob es ein Scherz sein sollte. Indianerjoe nickte mit funkelnden dunklen Augen. Dann murmelte er: »Die Frau, die du als Tera West gekannt hast, lässt dich grüßen.«
Ich blinzelte verdutzt.
Indianerjoe wandte sich an Ebenezar und nickte, dann kehrte er langsam zu Martha zurück.
Ebenezar grunzte zufrieden. »Schön. Wo ist jetzt der Russe? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Marthas Miene verfinsterte sich. Indianerjoes Gesichtsausdruck schien unverändert, doch er sah die große Magierin vielsagend an. Keiner sprach ein Wort, und die Luft wurde so dick, dass man hätte ersticken können.
Ebenezar dagegen erbleichte und stützte sich schwer auf seinen Stab. »Simon«,
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