Feenzorn
standen wir schon vor dem Gebäude, in dem sich der Rat treffen wollte. Ich blieb stehen, er folgte meinem Beispiel und drehte sich zu mir um.
»Ich will nicht gleichzeitig mit dir erscheinen«, sagte ich. »Wenn es schiefgeht, ist es vielleicht besser, wenn du nicht mit mir gesehen wirst.«
Ebenezar schaute mürrisch drein, und ich glaubte schon, er wolle Einwände erheben. Dann aber ging er kopfschüttelnd hinein. Ich ließ ihm einen kleinen Vorsprung, ehe ich ebenfalls die Treppe hochstieg und das Gebäude betrat.
Mit den hohen, gewölbten Decken, dem polierten Steinboden, den ausgelegten Teppichen und den Doppeltüren, die in den Saal führten, kam es mir vor wie ein altmodisches Theater. Vermutlich war die Klimaanlage vorher mit voller Kraft gelaufen, jetzt dagegen war nirgends ein Ventilator zu hören, und es schien mir drinnen wärmer zu sein, als es eigentlich sein sollte. Keine einzige Lampe brannte. In einem Gebäude voller Magier konnte man nicht erwarten, dass selbst einfache Dinge wie Lampen und eine Klimaanlage funktionierten.
Die Türen führten offenbar tatsächlich in einen Theatersaal. Bis auf zwei waren sie geschlossen, und dort standen zwei Männer in den dunklen Roben, den roten Tüchern des Rates und den grauen Umhängen der Hüter.
Den einen kannte ich nicht, aber der andere war Morgan. Er war fast so groß wie ich, aber gut hundert Pfund schwerer, und diese hundert Pfund bestanden aus kräftigen, durchtrainierten Muskeln. Er hatte einen kurzen, graudurchwirkten braunen Bart, die Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sein Gesicht war schmal und mürrisch wie immer, und seine Stimme passte dazu.
»Na endlich«, grunzte er, als er mich sah. »Darauf habe ich schon lange gewartet, Dresden. Endlich werden Sie Ihre gerechte Strafe bekommen.«
»Da ist aber jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden«, erwiderte ich. »Ich weiß ja, dass es Ihnen nicht gefällt, aber ich wurde von allen Vorwürfen entlastet. Genau genommen sogar dank Ihrer Mithilfe.«
Wenn überhaupt möglich, dann wurde seine Miene noch missmutiger, als sie ohnehin schon war. »Ich habe dem Rat nur berichtet, was Sie getan haben, und nicht damit gerechnet, dass er so nachsichtig wäre.« Er spie die Worte beinahe aus.
Ich blieb vor den beiden Hütern stehen und hielt ihnen meinen Stab hin. Morgans Partner nahm einen silbernen Anhänger vom Hals und fuhr mit dem Kristall über den Stab, danach über meinen Kopf, meine Schläfen und meinen Körper entlang. Der Kristall pulsierte sanft, als er über die Chakren glitt. Schließlich nickte der zweite Hüter Morgan zu, und ich wollte an ihnen vorbeigehen und das Theater betreten.
Morgan hob jedoch eine breite Hand und hielt mich auf. »Nein«, sagte er. »Noch nicht. Hol die Hunde.«
Der zweite Hüter runzelte die Stirn, protestierte allerdings nicht weiter. Er drehte sich um und verschwand im Theater, um einen Augenblick später mit zwei Hütehunden zurückzukehren.
Ich schluckte erschrocken und wich einen halben Schritt zur Seite. »Nun lassen Sie es aber gut sein, Morgan. Ich bin nicht verzaubert und schmuggle auch keine Bombe hinein. Ich bin doch kein Selbstmordattentäter.«
»Dann wird es Sie sicher nicht stören, wenn wir Sie kurz überprüfen«, erwiderte Morgan. Er lächelte humorlos und trat einen Schritt vor.
Die Hütehunde verstanden das Signal. Eigentlich waren sie keine Hunde. Ich mag nämlich Hunde. Diese hier waren dagegen Statuen aus irgendeinem dunklen graugrünen Stein. Sie gingen mir bis zum Gürtel, hatten die klaffenden Mäuler und die viel zu großen Augen chinesischer Tempelhunde und auch deren Locken und Mähnen. Zwar waren sie nicht aus Fleisch und Blut, bewegten sich aber schwerfällig und dennoch flüssig und mit Anmut, während die steinernen »Muskeln« unter der Haut spielten. Morgan berührte beide am Kopf und murmelte etwas, das zu leise war, um es zu verstehen. Daraufhin konzentrierten sich die Hütehunde auf mich und umkreisten mich mit gesenkten Köpfen. Der Boden bebte unter ihrem Gewicht.
Ich wusste, dass sie verzaubert waren, um jede der zahllosen Bedrohungen zu entdecken, die eine Ratssitzung gefährden konnten. Doch sie waren keine denkenden Wesen – nur Maschinen, die man mit einer kleinen Anzahl von Reaktionen auf vorher festgelegte Reize programmiert hatte. Hütehunde hatten schon oft das Leben von Magiern gerettet, aber es hatte auch Unfälle gegeben, und ich wusste nicht, ob die Begegnung mit Mab irgendwelche Spuren
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