Feenzorn
Tag.« Murphy bekam fast einen Schluckauf. Sie riss die Augen weit auf, und eine Mischung aus Wut und Belustigung verdrängte die Furcht. »Ihnen ist hoffentlich klar, dass ich eine Kanone in der Hand habe?«
»Schon gut. Halten Sie bloß die Hand still.«
Ihre Finger zitterten immer noch leicht, aber die wilden, panischen Krämpfe ebbten ab. Ich wickelte die Haare und den Faden um ihren Finger.
Murphy starrte weiter in den Nebel, hielt aber wenigstens die Waffe ruhig. »Was tun Sie da?«
»Ein Zauber wie dieser Nebel versucht, in das Opfer einzudringen«, erklärte ich. »Er berührt Sie und gelangt in Ihren Körper. Deshalb werde ich Sie mit einer Verteidigung ausstatten. Die linke Seite ist diejenige, welche die Energie aufnimmt. Ich werde den Zauber des Nebels blockieren, damit er nicht mehr in Sie eindringen kann. Dazu binde ich Ihnen gleich einen Faden um den Finger, damit Sie es nicht vergessen.« Den Knoten knüpfte ich gerade so weit, dass ich ihn mit einem einzigen Zug schließen konnte. Dann fischte ich mein Federmesser aus der Hosentasche, piekste mich in den rechten Daumen und konzentrierte mich auf den Spruch.
Murphy beobachtete mich verunsichert und mit bleichem Gesicht. »Ich habe noch nie gesehen, wie Sie so was gemacht haben.«
»Schon gut«, erwiderte ich. Eine gefährliche Sekunde lang erwiderte ich ihren Blick. »Es tut nicht weh. Ich weiß, was ich tue.«
Einen kleinen Moment lang lächelte sie sogar, und ihre Augen funkelten. Dann nickte sie und beobachtete wieder den Nebel.
Unterdessen schloss ich kurz die Augen und richtete meine Kräfte auf den Spruch. Da wir uns schon in einem Kreis befanden, ging es schnell. Die Luft verdichtete sich über meiner Haut, und die Haare auf den Armen sträubten sich, als die Kraft sich manifestierte. »Memorandum«, murmelte ich. Damit zog ich den Knoten zu und tupfte den Blutstropfen von meinem Daumen darauf. »Defendre memorarius.«
Die Energie schoss aus mir heraus, aktivierte den Spruch und legte sich fest um den Faden und um Murphys Finger. Sie bekam eine Gänsehaut und atmete scharf ein. »Huch!«
Besorgt betrachtete ich sie. »Alles in Ordnung?«
Blinzelnd sah sie zwischen ihrer Hand und mir hin und her.
»Oh, Mann. Ja.«
Ich nickte, zog meinen Drudenfuß unter dem Hemd hervor und wickelte mir die Kette um die linke Hand, damit der fünfzackige Stern auf meinen Fingerknöcheln lag. »Gut. Wir haben unser Glück schon lange genug strapaziert. Jetzt können wir nur noch hoffen, dass dies hier funktioniert, und so schnell wie möglich verschwinden.«
»Warten Sie mal – sind Sie etwa gar nicht sicher, ob es klappt?«
»Es sollte funktionieren. Es muss einfach. Theoretisch.«
»Spitze. Wäre es nicht besser hierzubleiben?«
»He, das war ein Scherz.«
Murphy nickte. »Na gut. Wie werden wir herausfinden, ob Sie Erfolg hatten?«
»Wir treten aus dem Kreis heraus, und wenn wir nicht ins Land der Teletubbys abdriften, hat es geklappt«, erklärte ich ihr.
Sie legte die Hand mit dem Schutzzauber an den Kolben ihrer Pistole. »Das liebe ich so an Ihnen, Dresden. Diese absolute Sicherheit.«
Mittels einer Willensanstrengung und eines kleinen Scharrens mit dem Fuß brach ich den Kreis, der sich leise seufzend auflöste. Sofort hüllte uns der graue Nebel ein.
Er glitt über meine Haut wie kaltes, schmieriges Öl, irgendwie übel und klebrig und ein wenig vertraut. Unwillkürlich wollte ich ihn mit der Hand abstreifen. Er breitete sich auf meinen Armen aus, und einen Moment lang fühlten sich meine Gliedmaßen an, als gehörten sie mir nicht mehr. Ich konzentrierte mich auf den Drudenstern in meiner linken Hand, auf das zuverlässige, kühle Gewicht, auf die Jahre der Disziplin und Übung, die er repräsentierte. So verdrängte ich den klebrigen Nebel aus meiner Wahrnehmung und blendete ihn bewusst aus. Statische Entladungen spielten auf der Kette meines Amuletts und blitzten auf dem Drudenstern, dann verblassten sie, und mit ihnen verschwanden auch die Täuschungen des Geistnebels.
»Alles klar? Sie haben einen Moment geschwankt«, erkundigte Murphy sich.
Ich nickte. »Ich hab’s jetzt im Griff. Und bei Ihnen?«
»Kein Problem, ich spüre überhaupt nichts.« Verdammt, bin ich gut – manchmal jedenfalls. »Wir gehen durch die Gartenabteilung hinaus.«
Murphy hatte die Kanone – daher ging sie vorne. Ich sicherte die Flanken, als sie durch einen Gang wanderte. Wir kamen an einem Kunden und einer Angestellten vorbei, die sich in einem
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