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Feenzorn

Feenzorn

Titel: Feenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Seitengang ans Regal gepresst hatten, um dem Nebel zu entkommen. Mit leicht verwirrtem Gesicht standen sie da und starrten ins Leere. Ein anderer Kunde, ein alter Mann, schwankte mitten im Gang hin und her und drohte zu stürzen. Ich blieb stehen und sagte leise: »Kommen Sie, setzen Sie sich einen Augenblick.« Ich half ihm, bevor er zusammenbrach.
    Wir kamen an einer weiteren dumpf starrenden Angestellten vorbei, deren blauer Kittel schmutzig war und nach Kunstdünger roch, und wandten uns zur Tür, die nach draußen ins Gartencenter führte.
    Auf einmal erwachten meine Erinnerungen, und ich sprang los, an Murphy vorbei und nach draußen in den nebligen Abend. Kaum hatte ich den mit Ketten abgesperrten Gang des Gartencenters erreicht, prallte irgendetwas schwer gegen mich und zog meine Oberschenkel und Hüften nach unten. Mein Kopf folgte einen Moment später, und der Aufprall erzeugte Lichtblitze und sehr reale Schmerzen.
    Ich rollte mich ab, als die Angestellte, an der wir gerade vorbeigekommen waren, die höllisch scharfe Gartenschere fester packte und nach mir stechen wollte. Ungeschickt wich ich zur Seite aus. Die Stahlspitzen rissen mir das Hemd und die Haut auf, bevor sie den Betonboden trafen. Ich rollte weiter und trat nach den Fußgelenken der Frau. Sie wich mit fließender Eleganz aus, und erst jetzt sah ich das menschliche Gesicht der Ghul-Mörderin, der ich im Krötenregen begegnet war. Die Tigerin.
    Sie war nicht besonders hübsch oder exotisch, eigentlich sogar völlig durchschnittlich – mittelgroß, normaler Körperbau, keine schmeichelhaften Kurven, keine entstellenden Schönheitsfehler, keine Besonderheiten. Sie trug Jeans, ein Polohemd und den Kittel von Walmart. Alles völlig normal.
    Die Pistole, die sie unter dem Kittel hervorholte, war dagegen durchaus etwas Besonderes: ein Revolver mit Stummellauf, der offenbar mit großkalibriger Munition geladen war und schwer in der Hand lag. Verzweifelt versuchte ich, einen Schutzschild aufzubauen, doch die Verteidigung gegen den Nebel und der Schlag auf den Kopf behinderten mich – nicht sehr stark, aber es reichte aus, damit sie mich erledigen konnte.
    Murphy rettete mich. Als die Tigerin auf mich anlegte, war die Polizistin da, packte den Arm der Angreiferin mit der rechten und machte irgendetwas mit der linken Hand, während sie breitbeinig dastand und ihren Körper in der Hüfte verdrehte.
    Als erfahrene Aikido-Kämpferin verstand Murphy eine Menge vom Nahkampf. Die Tigerin kreischte. Es war kein mädchenhafter, erschrockener Schmerzensschrei, sondern der wütende, fast pfeifende Laut, den ein Raubvogel ausstoßen könnte. Irgendetwas knackte und knirschte, dann gab es einen Donnerschlag, als ein Schuss abgefeuert wurde, der von den Wänden widerhallte, und auf einmal roch es beißend nach Schießpulver. Der Revolver schlitterte über den Boden.
    Daraufhin stach der Ghul mit der Gartenschere nach Murphy, die jedoch, vor Anstrengung grunzend, den Angriff fortsetzte und sich einmal um sich selbst drehte, um die Tigerin in eine Gruppe großer Topfpalmen zu schleudern.
    Sofort drehte Murphy sich zur Ghul-Mörderin herum, stellte sich schussbereit auf und knurrte: »Legen Sie sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Sie sind verhaftet, Sie haben das Recht zu schweigen.«
    Die Tigerin veränderte sich. Haut und Lippen verschwanden, als sie den Mund unnatürlich weit aufriss und Raubtierzähne entblößte. Ihre Schultern ruckten und wanden sich, sie wuchsen und wurden zugleich breiter, und die Kleider spannten sich über dem sich ausdehnenden, gebeugten Körper. Auch die Finger wurden länger und bekamen lange Krallen, bis die Spannweite ihrer Hände so groß war wie die der hinter ihr ausgestellten Rechen. Ein übler Verwesungsgestank ging von ihr aus.
    Murphy wurde kreidebleich, als sie die Verwandlung beobachtete. Hätte sie es mit einem bewaffneten Gangster zu tun gehabt, dann hätte sie nicht die Nerven verloren. Doch der Ghul war etwas ganz anderes, und darauf war sie nicht gefasst. Die Angst drohte sie zu übermannen und weckte die Erinnerung an die Narben, die ein irrer Geist vor einem Jahr in ihrer Seele hinterlassen hatte. Sie geriet in Panik und konnte nur noch keuchen, während sich ein Dämon, der dem Alptraum eines Irren entsprungen schien, aus den Büschen wühlte, die Krallen ausfuhr und ein rasselndes Zischen ausstieß. Murphys Waffe bebte, der Lauf ruckte ziellos nach links und rechts. Unterdessen rappelte ich mich wieder auf, um

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