Fehlfunktion - Warum Frischhaltefolie nie gerade abreißt und andere Alltagsärgernisse
die Staatsbibliothek?«
Aufgelegt. Nein, offensichtlich nicht die Bibliothek. Die arme alte Dame habe ich in wenigen Wochen oft angerufen, als ich an der Universität Tausende von Ziffernfolgen in ein Statistikprogramm tippte.
Warum es damals immer wieder gerade diese alte Dame erwischt hat? Die Ziffern auf dem Nummernblock der Computertastatur sind anders angeordnet als die auf dem Telefon. Die Fehlverbindungen sind der Preis einer Konditionierung.
Bei beiden Layouts sind die Ziffern in drei Reihen mit drei Spalten angeordnet. Nur beginnt auf der Computertastatur die
oberste Ziffernreihe mit 7 und endet mit 9, die unterste fängt mit 1 an und hört mit 3 auf. Auf Telefontastaturen laufen die Ziffern hingegen von 1 (links oben) bis 9 (rechts unten). Die Folge: Wer viele Zahlen in Rechner tippt und telefoniert, muss ständig umdenken.
Zum Beispiel Elektroingenieur Ingo Köhler, der für Energieunternehmen Netzverträglichkeitsprüfungen und Netzberechnungen macht und klagt: »Wenn ich telefonieren muss, muss ich mich immer stark konzentrieren, die richtigen Zahlen auf dem Telefon zu tippen.« Wie viele Zahlenarbeiter fragt Köhler sich, weshalb die Ziffern auf der 10er-Tastatur eines Computers anders angeordnet sind als auf dem Telefon.
Die Tastaturhersteller Logitech und Cherry erklären die Anordnung der Ziffern auf Anfrage so: Da habe IBM in den Anfangstagen des PCs bei der Gestaltung des ersten Tastaturnummernblocks einfach die alten Rechenmaschinen als Vorbild genommen. Günter Vogl, Marketingchef der deutschen Tastaturfirma Cherry: »Das ist also historisch bedingt. Damals hatten Telefone noch Wählscheiben. Warum bei den Tastentelefonen später eine andere Ziffernreihenfolge gewählt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.«
Kein Wunder - die Ursache für das Ziffernchaos liegt Jahrzehnte zurück, in einer Zeit, bevor es überhaupt Heimcomputer gab. Fast so lang versucht das Deutsche Institut für Normung (DIN) schon Standards für die Ziffernanordnung zu setzen. DIN-Sprecher Peter Anthony: »Ursache für die Reihenfolge der Telefontasten war die damalige Technologie beim Wählen der einzelnen Ziffern durch die Drehwählscheibe am Telefon.«
Die Wählscheibe ist also schuld. Alte Telefone wählten Nummern
über das sogenannte Impulsverfahren mit mechanischen Impulsen. Die Wählscheibe funktionierte als Aufzugsmechanismus, ein wenig wie der bei alten Weckern. Aufziehen, loslassen - und wenn die Wählscheibe zurückrattert, aktiviert sie beim Ablaufen Kontakte so oft, wie die jeweilige Ziffer auf der Wählscheibe es anzeigt. Also zum Beispiel: Für die 1 wird der Kontakt einmal geschlossen, für die 2 zweimal und so weiter. Deshalb beginnen auf Wählscheiben die Ziffern bei 1 (ein Kontakt) und enden bei 0 (zehn Kontakte), wofür man die Scheibe bis zum Anschlag aufziehen muss.
Als dann neue Wahlverfahren kamen, die mit elektronischen Schaltungen und Zifferntasten arbeiteten, übernahmen die Hersteller einfach die alte Ziffernfolge der Wählscheiben von 1 bis 0, obwohl es dafür keine technische Notwendigkeit mehr gab. Die ersten dieser Tastentelefone gab es in den 1960er-Jahren in den Vereinigten Staaten zu kaufen, als dort das Tonwahlverfahren eingeführt wurde.
Diese willkürlich von der mechanischen Wählscheibe abgeleitete Belegung der Telefontasten hat sich so weit verbreitet, dass die Internationale Fernmeldeunion (ITU) sie in den 1980er-Jahren in einer Richtlinie zur »Anordnung von Ziffern, Buchstaben und Symbolen auf Telefonen« (die gibt es wirklich!) als Empfehlung festhielt.
In den 1950er-Jahren, als die Welt noch mit Drehscheiben Telefonnummern wählte (wenn überhaupt), verabschiedete das Deutsche Institut für Normung (DIN) die erste Rechenmaschinennorm. Als Belegung für die Zifferntasten einigten sich die Industrievertreter damals auf die Abfolge von 7 bis 9 in der oberen Reihe des numerischen Blocks.
Da Telefone damals keine Tasten hatten, erkannte niemand den Widerspruch in der Bedienlogik beider Systeme. DIN-Sprecher Anthony: »Erst als auch die mechanischen Rechenmaschinen durch elektrische und elektronische ersetzt wurden, erkannte man die Unterschiede beider Tastaturen.«
Da war es allerdings schon zu spät für einen übergreifenden Standard. Telefon- und Rechenmaschinenfirmen hatten kein Interesse daran, ihre Geräte plötzlich umzustellen. Und da eine Lösung nur so aussehen konnte, dass eine der beiden Fraktionen auf ihren Ziffernstandard verzichtete, kam es einfach nicht
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