Fehlfunktion
sich verzweifelt nach nanonischen Medipacks; ein vernünftiger Vorrat hätte die Kirche wohl kaum in den Bankrott getrieben.
Er hatte inzwischen die abgestorbene Haut so gut wie möglich von den Verbrennungen entfernt und die Wunden mit einer dünnen Schicht von Kortikosteroid bedeckt, um die Entzündung zu lindern, dann verband er sie mit einem Teil seiner rasch schwindenden Vorräte an Epithelmembran. Jay kehrte mit seinem Rucksack zurück. Sie hatte ihn richtig professionell gepackt, und obenauf befand sich sogar sein zusammengerollter Schlafsack.
»Ich habe mir auch ein paar Sachen genommen«, sagte sie und zeigte ihm eine prall gefüllte Umhängetasche.
»Gutes Mädchen. Du hast die Tasche doch nicht zu schwer gemacht, oder? Vielleicht müssen wir unsere Sachen ziemlich weit tragen.«
»Nein, Vater.«
Irgend jemand klopfte zaghaft an den Türpfosten. Jay drückte sich in die Ecke der Krankenstation und machte sich ganz klein.
»Vater Horst?« Brigitte Hearn streckte ihren Kopf herein. »Vater, sie wollen nicht, daß Sie hierbleiben. Sie sagen, sie würden Sie töten, und daß Sie sich nicht gegen alle zusammen verteidigen könnten.«
»Ich weiß. Wir gehen weg von hier.«
»Oh.«
»Werden sie uns in Ruhe abziehen lassen?«
Sie schluckte und blickte über die Schulter. »Ja. Ich denke schon. Sie wollen keinen Kampf. Nicht mit Ihnen. Nicht mit einem Priester.«
Horst öffnete die Schubladen des Holzschranks an der rückwärtigen Wand der Krankenstation und machte sich daran, die medizinische Ausrüstung in den Rucksack zu packen. »Was sind Sie?« fragte er.
»Ich weiß es nicht, Vater«, antwortete sie kläglich.
»Sie sagten, Sie wären gestorben?«
»Das stimmt.«
»Wie lautet Ihr Name?«
»Ingrid Veenkamp, Vater. Ich habe auf Bielefeld gelebt, als diese Welt noch eine Kolonie im ersten Stadium war. Nicht viel anders als dieser Planet hier.« Sie schenkte Jay ein nervöses Lächeln. »Ich hatte zwei Mädchen. Sie waren so hübsch wie du.«
»Und wo steckt Brigitte Hearn jetzt?« fragte Horst.
»Hier, in mir, Vater. Ich kann sie fühlen. Sie ist wie ein Traum.«
»Besessen«, sagte Elwes.
»Nein!«
»Doch! Ich habe den roten Dämon gesehen! Ich habe das Ritual beobachtet, all die Obszönitäten, die dieser verfluchte Quinn Dexter begangen hat, um euch hierher zu beschwören.«
»Ich bin kein Dämon!« beharrte die Frau. »Ich habe wirklich gelebt! Ich bin ein Mensch!«
»Nicht mehr. Verlassen Sie diesen Körper, den Sie gestohlen haben. Brigitte Hearn hat ein Recht auf ihr eigenes Leben.«
»Ich kann nicht! Ich werde nicht dorthin zurückkehren! Nicht dorthin.«
Horst Elwes verschränkte die bebenden Hände. Thomas hat diesen Augenblick kommen sehen, dachte er, als der Schüler die Rückkehr seines Herrn bezweifelte, als er sich in stolzer Arroganz weigerte zu glauben, bis er die Wunden der Nägel in Seinen Händen gesehen hatte. »Glaube!« flüsterte er. »Jesus ist Christus, der Sohn Gottes; in diesem Glauben wirst du durch seine Gnade leben.«
Brigitte/Ingrid senkte den Kopf.
Horst stellte die Frage, die er niemals hätte stellen sollen: »Wohin? Wohin, verdammt?«
»Nirgendwo. Nichts. Es gibt nur das Nichts für uns. Hören Sie? Das Nichts!«
»Sie lügen!«
»Es gibt nichts, nur die Leere. Es tut mir leid, Vater.« Sie atmete zitternd ein, offensichtlich bemüht, einen Rest von Würde zusammenzuraffen. »Sie müssen jetzt gehen, Vater. Die anderen kommen zurück.«
Horst schloß die Klappe seines Rucksacks und zurrte den Verschluß fest. »Wo sind die restlichen Einwohner dieser Siedlung?«
»Gegangen. Sie jagen nach frischen Körpern für die anderen Seelen, die im Jenseits gefangen sind. Das ist ihre Aufgabe. Ich habe nicht die Nerven dazu, genausowenig wie die anderen, die in Aberdale zurückgeblieben sind. Aber Sie, Vater – passen Sie auf sich auf. Ihr Geist ist stark, aber Sie könnten keinem von uns lange Zeit widerstehen.«
»Sie wollen noch weitere Menschen unterjochen?«
»Ja.«
»Aber warum?«
»Gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam können wir ändern, was ist. Wir können den Tod zerstören, Vater. Wir werden die Ewigkeit hier auf diesem Planeten erschaffen, vielleicht sogar in der gesamten Konföderation. Ich werde für alle Zeiten bleiben, wie ich jetzt bin, ohne zu altern, ohne mich zu verändern. Ich bin wieder lebendig, und das werde ich nicht wieder aufgeben.«
»Das ist Irrsinn!« sagte Horst Elwes.
»Nein. Es ist ein Wunder. Unser Wunder.«
Horst
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