Fehlfunktion
Seite ihres Panzers entlang. Bewegung! Hovercraft! Ihre Hände krallten sich mit dem Instinkt eines Tieres fest. Dann wurde sie mühelos in die Luft gerissen. Ihr Verstand setzte aus, und sie zappelte und trat mit allen vieren um sich. »Nein! Nein! Nein!«
»Ruhig Blut, Kelly, ich hab’ dich.«
Ihre Welt fing an sich zu drehen, als der mächtige Söldner sie ohne besondere Umstände zu Boden fallen ließ. Sie stammelte wirres Zeug und zitterte am ganzen Leib, als die neurale Nanonik ihre Stimulationsimpulse einstellte. Nach einer Minute begann sie zu schluchzen. Ein Beben setzte tief unten in ihrem Bauch ein und kam durch ihren Mund nach draußen.
»Du hast es geschafft, Kelly«, sagte Sal Young später. Wieviel später wußte sie nicht zu sagen. Ihr Bewußtsein war vernebelt von Beruhigungsmitteln und Schmerzblockern, und ihre Gedanken bewegten sich wie durch einen zähen Brei hindurch. Sie versuchte sich aufzurichten und stöhnte laut, als heiße Wellen von Schmerz durch ihre Rippen rasten. Ein medizinisches Diagramm entfaltete sich im Innern ihres Schädels: ihre Verletzungen in einer unwillkommenen Detailfülle.
»Der Baum!« krächzte sie rauh.
»Wir haben ihn erwischt«, antwortete Sewell. »Verdammt, das war unheimlich!«
»Ihr wolltet mich im Stich lassen!« Die aufsteigende Panik verursachte eine neuerliche Gänsehaut. Blaue Lichter blitzten rings um das medizinische Diagramm auf: noch mehr Beruhigungsmittel.
»Du mußt lernen, nicht zurückzubleiben, Kelly«, sagte Reza mit einer Stimme, als wäre nichts geschehen. »Wir führen eine Mission in feindlichem Gebiet durch. Ich hab’s dir gesagt, bevor wir losgezogen sind. Ich kann keinen Mann als Babysitter abstellen.«
»Ja.« Sie sank wieder zurück. »Das hast du. Es … tut mir leid.« Ich habe einfach nicht begriffen, daß du es ernst gemeint hast. Daß du einen menschlichen Kameraden im Stich lassen könntest und ihn diesem … Ding ausliefern.
»Hey, das war gar nicht schlecht«, munterte Sal Young sie auf. »Eine Menge anderer Leute hätten es vermasselt, wenn sie soviel Scheiße hätten fressen müssen.«
»Oh, danke.«
Irgendwo hinter ihr ertönten mechanische Geräusche. Sewell klinkte seine Gaußgewehre aus den Halterungen aus. »Los, wir versuchen, dir deinen Kampfanzug auszuziehen, Kelly. Du siehst aus, als könntest du dringend Erste Hilfe gebrauchen.« Sie spürte, wie er sich an dem Verschluß zu schaffen machte, und dann den Hauch feuchtheißer Luft auf der Haut. Ihr Helm wurde abgenommen, und sie blinzelte benommen.
Sewell saß über ihr auf einer Bank und hielt mehrere nanonische Medipacks in den Händen. Kelly vermied es, an sich herabzusehen; das physiologische Diagramm ihrer Rippen war schlimm genug.
»Sieht aus, als hätte es nicht nur mich allein erwischt«, sagte sie und lächelte tapfer. Sewells synthetische Haut war übersät mit kleinen, tiefen, schwarzverbrannten Kratern, wo er von den weißen Feuerbällen getroffen worden war. Eine lange Streifwunde zog sich über die Seite seines runden glänzenden Schädels. Blut und andere Flüssigkeiten quollen jedesmal aus den Rissen, wenn er sich bewegte. »Oder willst du behaupten, das seien nur Fleischwunden?«
»Nichts Lebensgefährliches zumindest.«
»Ach, Scheiße! Ich ertrinke noch in euren Machosprüchen!«
»Du kannst deine Pistole jetzt wieder wegstecken, Kelly.«
Kelly hielt noch immer die Neun-Millimeter-Automatik in der Hand; ihre Finger waren fest um den Griff verkrampft. Sie starrte die Pistole verwundert an. »Ja, stimmt. Gute Idee.«
Er drehte sie vorsichtig auf die rechte Seite, dann entfernte er die Schutzhülle um das Medipack. Es schmiegte sich auf ihre linke Seite und dehnte sich, bis es von der Wirbelsäule bis zum Bauchnabel reichte. Die Farben des physiologischen Diagramms änderten sich, und ein rotes Licht nach dem anderen verblaßte zu einem dunklen Gelb, als das Medipack seine Arbeit begann.
»Wohin fahren wir?« fragte sie. Das Hovercraft bewegte sich schneller als zuvor. Die Feuchtigkeit ließ sie am ganzen Körper schwitzen. Die Vegetation stank widerlich und kratzte in ihrer Kehle. Sie lag halbnackt auf dem Boden eines kleinen Luftkissenfahrzeugs, raste durch einen Xeno-Dschungel auf der Flucht vor unheimlichen Monstern und hatte nicht die geringste Hoffnung auf Rettung. Sie wußte, daß sie eigentlich in Hysterie ausbrechen müßte, doch es war fast lustig. Schließlich wolltest du selbst einen harten Auftrag, Süße.
»Aberdale«,
Weitere Kostenlose Bücher