Fehlfunktion
nicht dort gewesen war, dachten alle und jeder, daß er sich selbst privat die gleiche eiserne Disziplin auferlegte, die sein berufliches Leben beherrschte.
Sie irrten sich alle. Samuel Aleksandrovich war niemals zu Hause gewesen, weil es auf dem erbärmlichen Planeten mit seinem gemäßigten Klima nichts gab, das ihn interessiert hätte, nicht die Familie, nicht die Kultur und schon gar keine nostalgischen Erinnerungen. Samuel hatte Kolomna den Rücken zugewandt, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, das nächste Jahrhundert damit zu verbringen, seinen vier Brüdern und drei Schwestern im elterlichen Farmbetrieb zu helfen, und das bei einer durch genetische Manipulation erhöhten Lebenserwartung von wenigstens hundertzwanzig Jahren, der er auch seinen kraftvollen, einhundertachtzig Zentimeter großen Körper verdankte, das lebendig kupferfarben schimmernde Haar und den erweiterten Metabolismus.
Im Alter von neunzehn Jahren hatte Samuel Aleksandrovich realisiert, daß ihm ein solches Leben wie eine Gefängnisstrafe erscheinen würde, wenn man die zur Auswahl stehenden Berufe auf einer Welt bedachte, die erst seit wenigen Jahren dem landwirtschaftlichen Stadium entwachsen war. Ein möglicherweise erfülltes Leben sollte nicht auf derart enge Horizonte sehen müssen, denn zu leicht konnte sich Freude zu einer schrecklichen Bürde entwickeln. Vielfalt bedeutete Gesundheit. Und so hatte er am Tag nach seinem zwanzigsten Geburtstag seine Eltern und seine Geschwister zum Abschied geküßt und war die siebzehn Kilometer zu Fuß und bei starkem Schneefall in die Stadt marschiert, um sich im Büro der Konföderierten Navy als Rekrut einzuschreiben.
Er hatte nicht nur metaphorisch, sondern auch in anderer Hinsicht niemals einen Blick zurück geworfen. Er war niemals etwas anderes als ein beispielhafter Offizier gewesen. Samuel Aleksandrovich hatte in sieben Schlachten gekämpft, hatte Piraten gefangen, hatte während eines Angriffs auf eine Industriestation, die illegale Antimaterie produzierte, eine Flottille von Schiffen kommandiert und im Verlauf der Jahre eine beträchtliche Anzahl von Verdienstorden erhalten. Doch die Berufung zum Leitenden Admiral der gesamten Navy erforderte weit mehr als eine Bilderbuch-Personalakte. Sosehr Samuel Aleksandrovich es auch verabscheute, er mußte im politischen Spiel mitspielen, vor Untersuchungsausschüssen der Versammlung auftreten, leitende Diplomaten mit inoffiziellen Informationen versorgen und nicht zuletzt die Erkenntnisse des Abschirmdienstes mit dem gleichen Geschick ausspielen, wie er das Rapier führte (damals auf der Akademie war er der Jahrgangsbeste gewesen).
Seine Fähigkeit, Mitgliedsstaaten unter Druck zu setzen, wurde unter den Mitarbeitern des präsidialen Stabes der Versammlung bewundert, genausosehr wegen der Eleganz als auch wegen der vielen Millionen Fuseodollars, die gespart wurden, indem er verhinderte, daß jedesmal große Flottenverbände zu Unruheherden verlegt werden mußten – und das Wort der Stabsleute zählte um einiges mehr als das der Admiralität. Sie waren es immerhin, die dem Navy-Ausschuß der Konföderationsversammlung die Namen möglicher Kandidaten vorschlugen.
In den sechs Jahren, seit Samuel Aleksandrovich den Posten innehatte, hatte er gute Arbeit geleistet und den Frieden zwischen manchmal unbeständigen planetaren Regierungen und den noch wechselhafteren Asteroidensiedlungen bewahrt. Nationale Führer und Politiker gleichermaßen respektierten allgemein Aleksandrovichs Härte und Fairneß.
Einen großen Anteil seiner berühmten Unparteilichkeit hatte er sich erworben, als er im Alter von zweiunddreißig Jahren als junger Lieutenant auf einer Fregatte gedient hatte, die nach Jantrit entsandt worden war, um den Edeniten bei einer Art bewaffneter Rebellion zu Hilfe zu eilen (so unglaublich das auch damals geklungen hatte). Die Besatzung der Fregatte hatte hilflos mit ansehen müssen, wie die Antimaterie detoniert war; anschließend hatten sie drei Tage lang mit erschöpfenden (und größtenteils fruchtlosen) Manövern verbracht, um die Überlebenden der Tragödie zu retten.
Samuel Aleksandrovich hatte eines der Rettungsteams angeführt, nachdem die Fregatte an einem losgerissenen Sternenkratzer angelegt hatte. Durch heroischen Einsatz, der ihm später einen Orden eingebracht hatte, war es ihm und seinen Leuten gelungen, achtzehn Edeniten zu retten, die in den Korridoren und Räumen aus Polyp eingeschlossen gewesen waren. Doch einer
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