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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Honorar, das Strafmaß. Wir haben gepokert, manchmal
geblufft, manchmal hatte einer von uns ein As im Ärmel. Wenn er mich jetzt
will, muss er notgedrungen wieder pokern. Allerdings hat er mit Karin ein Full
House.“
    „Und wo ist dein Royal Flush? Los, denk nach! Du weißt, wo er steckt!
Im Prinzip weißt du es! Du musst nur drauf kommen!“ Susanne, klang wie der
Einpeitscher auf einer Galeere. Und sie spornte ihren einzigen Sträfling zu
Höchstleistungen an.
    „Susanne?“ Hellwein schob sich wieder herein. „Das Haus in
Königswinter ist leer.“
    „Mist! — Also, Chris! Wo sind deine Asse? Du warst ihm schon mal ganz
nah, als dir Viego deinen klugen Kopf wegblasen sollte.“ Sie stützte sich
schwer auf die Sessellehne. „Was war das, Chris? Was? Wo hast du deine Karten?
Mach! Ohne diesen klugen Kopf ist Karin verraten und verkauft!“
    Die Nacht im Arloffer Wald. Am Tag zuvor hatte er mit Stefan Eickboom
telefoniert, der ihm vom Italienurlaub seines Vaters erzählt hatte. Beinahe
hätte Chris laut aufgelacht. Italien! Toskana! Aber das war´s nicht. Ganz
gewiss nicht. Zu weit weg, damals eine an Harmlosigkeit nicht zu überbietende
Bemerkung. Danach war der Alte selbst bei ihm gewesen. Aber über mehr als einen
Scheidungsanwalt hatten sie nicht gesprochen.
    Und der Arloffer Wald? Sollte er dorthin …? Nein, das war nicht seine
Art. So plump ging Eickboom nicht vor. Er würde es feiner, geschickter
anstellen. Und er wollte sein Spiel zu Ende bringen, so viel war klar. Er würde
nicht versuchen, sich abzusetzen, seine Haut zu retten — jedenfalls nicht,
bevor er Chris den entscheidenden Stich abgenommen hatte. Obwohl er auf
verlorenem Posten stand, versuchte er, seine Karten über die Runden zu bringen.
Das setzte voraus, dass er ziemlich sicher war, wie Chris reagieren würde. Ging
er davon aus, dass er nicht zur Polizei gegangen war? Das Spiel allein
ausfechten wollte? Dafür musste er jedoch sicher sein, das Chris ihn fand. Was
war das? Wo?
    Anders, Chris. Denk andersherum. Fang vorne an, ganz vorne!
    Die Nacht, in der er Inge gefunden hatte, das Essen vorher hier in
diesem Haus. Nein, auch das war zu weit weg. Dazwischen lag Brigitte Tönnessen,
deren Tod keinen Sinn ergab, wenn an diesem Abend irgendetwas gewesen sein
sollte. Und doch, Inge Lautmann, angestrahlt von blauen Lettern.
    „Was ist mit dem Industriegebiet?“, schlug er vor.
    Aber Susanne und Hellwein stöhnten gleichzeitig auf.
    „Hör damit auf!“, explodierte die Polizistin. „Wir haben da jeden
Stein rumgedreht. Wir haben die Mitarbeiter der ansässigen Firmen befragt, die
Firmennamen und deren Geschäftsführer mit der Lautmannliste verglichen. Nach
der Sache mit dir haben wir das alles nochmal aufgerollt. Außer Geseke war da
nichts! Absolut nichts!“
    Geschäftsführer?
    Lautmann … Frielingsdorf KG … Firma … KG … OHG … Geschäftsführer …
    Wie in den kleinen Bilderbüchern, deren Figuren sich plötzlich zu
bewegen scheinen, wenn man die Seiten schnell genug durch Daumen und
Zeigefinger gleiten lässt, sausten Paragrafen des Handelsgesetzbuches durch
sein Gehirn. Irgendwas war da. Ewigkeiten nicht mehr gebraucht, vielleicht das
letzte Mal im Examen, weil er sich danach auf Strafrecht spezialisiert hatte …
Firma … Geschäftsführer …
    In dicken Lettern stand plötzlich ein Wort vor seinen Augen. Ein einziges
Wort, das alle Fragen beantwortete.
    „Mein Gott, die Kommanditisten!“, murmelte er und rannte hinaus.

Sechsunddreißig
     
    Nicht der
geringste Lichtschimmer drang in den kleinen Kellerraum. Karin versuchte ihre
Hände zu bewegen, wenigstens zu ertasten, womit sie gefesselt war. Das Material
fühlte sich weich an, fast wie eine gedrehte Gardinenkordel. Sie drückte mit
aller Kraft die Handgelenke auseinander, wollte die Schnur lockern, aber alles
zog sich nur noch mehr zusammen.
    Zeit floss dahin, träge, bleischwer. Sie konnte nicht abschätzen, wie
lange sie schon hier lag. Es gab nichts, was ihr einen Anhaltspunkt gegeben
hätte. Kein wandernder Schatten lieferte Hinweise, kaum ein Geräusch von
draußen. Einmal glaubte sie, dass weit entfernt ein Motor aufheulte. Dann
wieder vernahm sie das rhythmische Summen eines Gabelstaplers. Waren da über
ihr Schritte? Oder hörte sie in Wirklichkeit gar nichts, spielte ihr die
Fantasie einen Streich?
    Wieder versuchte sie, die Hände zu bewegen, die abgeschnürte Durchblutung
halbwegs aufrechtzuerhalten. Wenn sie doch nur das Klebeband auf ihrem

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