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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Rheinseite zu gelangen. Dafür bauten die Kölner schon zu
lange ihre neue U-Bahnstrecke, was seit Jahren zu Umleitungen, gesperrten
Straßen und aufgebrachten Autofahrern führte.
    Ein Fahrradfahrer neben ihm bohrte hingebungsvoll in der Nase und
stierte auf die verblendeten Fenster des „Erotikdiscount“. Rot blinkende
Lämpchen drum herum sollten wohl Aufmerksamkeit erregen. Chris sah fasziniert
zu — nicht den Lämpchen, sondern dem Finger in der Nase.
    Der Besucherparkplatz des Präsidiums war vergleichsweise leer und er
konnte beinahe vor den breiten Eingangstüren parken. Unwillkürlich zog er die
Schultern hoch, als er das Gebäude betrat. Es roch nach kaltem Rauch, zu lange
warm gehaltenem Kaffee und frisch gebohnertem Linoleum. Eine irgendwie
bedrückende Mischung, die wahrscheinlich jedem Polizeigebäude der Welt
anhaftete. Den Zigarettendunst hätte es eigentlich nicht mehr geben dürfen.
Aber wenn die Bürokollegen sich einig waren, wurde im nicht öffentlichen
Bereich trotz Verbot fröhlich weitergepafft.
    Der Polizist in der Pförtnerloge hob nur grüßend die Hand. Man kannte
sich. An zweien der hellen Aufzugtüren baumelte ein Schild „defekt“. Die
anderen Aufzüge befanden sich zwischen dem achten und zehnten Stock. Also stieg
Chris durch das in freundlichem Gelb gestrichene Treppenhaus die drei Etagen
nach oben.
    Er war sicher Susanne in ihrem Zimmer zu finden. Sie hatte letzte
Nacht garantiert keine Sekunde geschlafen, saß nun in ihrem Büro und dachte
nach. Steckte Fakten und Vermutungen in die passenden Schubladen in ihrem Kopf
und plante die Ermittlungen.
    Obwohl die beiden Fenster geöffnet waren, hing im Büro der Polizistin
eine schwere, blaue Dunstglocke. Mit verschränkten Armen saß sie da, die Füße
auf dem Schreibtisch. Der Stuhl kippelte nach hinten. Die Lesebrille war bis
auf die Spitze ihrer langen Nase gerutscht.
    Als Chris eintrat, schwangen die Füße vom Tisch und der Stuhl mitsamt
Susanne kam mit lautem Krachen in die Vertikale. „Ah, Mister Holmes“, empfing
sie ihn grinsend. „Was führt dich in unsere Katakomben?“
    Chris sah mit hochgezogenen Augenbrauen auf das Durcheinander um den
Arbeitsplatz von Hellwein.
    Susanne folgte seinem Blick. „Vielleicht hätten wir ihn besser
`Chaoten-Heinz´ genannt“, murmelte sie resigniert, und lauter: „Also, du hast
dich vor Sehnsucht nach mir verzehrt, gib´s zu!“
    Wortlos warf er das Notizbuch auf den Tisch. Es schlidderte über die
verkratzte Platte bis zu Susannes Ellenbogen.
    „Das lag in meinem Wagen“, erklärte er dann. „Ich denke, es ist ihr
aus der Hose gefallen.“
    Die Kommissarin drehte den schmalen Ledereinband zwischen den Fingern,
blätterte, überflog kurz das Adressverzeichnis.
    „Gut“, sagte sie schließlich. „Das könnte was bringen. Ansonsten haben
wir nämlich noch verteufelt wenig.“
    „Wie viel ist wenig?“, fragte Chris, was mit einem warnenden Blick
quittiert wurde.
    „Wir haben eine Abmachung“, erinnerte er sie.
    „Wie du willst.“ Susanne klang müde und resigniert. Als sie
weitersprach, war das jedoch so, als würde sie einen trockenen Bericht
verlesen. „Vorläufiger Obduktionsbefund: Keinerlei Anzeichen einer
Vergewaltigung. Null Sperma, keine Verletzungen im Genitalbereich.
Todesursache: Innere Blutungen infolge eines massiven Trittes in den Bauchraum;
der entsprechende Erguss hat zumindest die Form einer Schuhspitze. Angerissene
Baucharterie, entsprechende innere Blutung — so einfach kannst du den Löffel
abgeben. Kurz vorher muss sie noch etwas zu sich genommen haben. Genauer
gesagt: Hamburger, Salat, nicht unerhebliche Mengen Alkohol. Das Labor tippt
auf Wodka.“
    „Hamburger und Wodka?“
    „Genau! Ich weiß, was du sagen willst. Es passt nicht zusammen! Wir
gehen also mal davon aus, dass sie in zwei verschiedenen Gaststätten war.“ Über
die nahegelegene Bahnstrecke rumpelte ein Güterzug. Susanne stand auf und
schloss eines der Fenster während sie ihren Rapport fortsetzte. „Wir haben
weder Hautpartikel, noch Fremdblut oder so was. Stattdessen Haare der
unterschiedlichsten Couleur.“
    „Haare?“
    „Haare! Statistisch gesehen verliert jeder Mensch alle fünf Minuten
ein Haar. Ein paar werden von dir sein, ein paar von den Leuten im Krankenhaus,
die sie ausgezogen haben. Vielleicht auch welche von unserem Schläger. Auf
jeden Fall haben wir alles ans LKA geschickt für eine DNA-Analyse. Aber du
weißt, das dauert. Interessant ist übrigens, dass auf ihrer

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