Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
Bad ab und widmete sich schließlich
auch seinen verkümmerten Blumen auf den Fensterbänken. Wasser brauchten sie,
erst einmal Wasser. Und morgen würde er Dünger kaufen und neue Erde. Ganz
bestimmt.
    Aber all die hektische Aktivität, die er an den Tag legte, ließ die
Gedanken nur noch mehr wandern, machte aus den Ameisen im Bauch ausgewachsene
Schmetterlinge. Er schimpfte sich einen „Vollidioten“ und vermied es, darüber
nachzudenken, was hinter den Schmetterlingen steckte. Es war sowieso
blödsinnig. Wahrscheinlich machte sich nur bemerkbar, dass er seit zwei Jahren
sozusagen im Zölibat lebte, denn schließlich stand er weder auf große Frauen,
noch auf mächtige Busen. Wirklich nicht.
    Er versuchte es mit Musik, seinem Allheilmittel gegen unklare
seelische Verfassungen. Aber auch das erwies sich als wirkungslos. Was auch
immer er auflegte, ob Grieg, Beethoven oder Barclay James Harvest — nach zwei
Minuten hingen seine Gedanken bei den blaugrauen Augen.
    Und obwohl er absolut keine Lust auf eine ewig nörgelnde Anne und
einen dämlich lächelnden Hans hatte, war er erleichtert, als er losmusste. Wenn
er sich auch vermutlich den ganzen Abend ärgern würde, bedeutete das zumindest
Ablenkung. Es führte weg von plötzlich einsetzendem Herzklopfen und
schweißnassen Händen, der unterschwelligen Angst, krank zu werden, ein
Kreislaufproblem zu haben.
     
    Ausnahmsweise war Chris pünktlich. Er nahm nicht den Aufzug, sondern
ging die vier Etagen zu Fuß nach oben. So blieb ihm Zeit, sich gegen die
seltsame Beklemmung zu wappnen, die ihn immer noch überfiel, wenn er die
Wohnung betrat, die so lange auch seine gewesen war. Nichts hatte sich dort
verändert. Auf dem Sofa lag der grüne Überwurf, den Chris nicht mochte. Der
Esstisch hatte diesen ausgeblichenen Fleck, als er einmal Essig verschüttet
hatte, und das Brandloch im Teppichboden wurde immer noch verdeckt durch den
kleinen gestreiften Läufer. Es wäre sicher einfacher gewesen, wenn sich mit dem
Einzug von Hans auch die Wohnung verändert hätte.
    Der „kleine Kreis“, in dem Hans seinen Geburtstag feiern wollte, bestand
aus Anne, Chris und einer ihm bis dahin unbekannten Frau namens Heike, einer
blonden Schönheit mit asketischem Gesicht und dunkler Stimme. — Ein mehr oder
weniger geschickter Schachzug von Anne, ihn zu verkuppeln, wie sich schnell
herausstellte. Heike lächelte süß, klimperte mit den Augen und versuchte immer
wieder, ihn in ein intensives Gespräch über Nockenwellen und Einspritzpumpen zu
verwickeln — sie arbeitete als technische Zeichnerin bei Ford. Nockenwellen und
Einspritzpumpen waren allerdings so ziemlich das Letzte, was Chris
interessierte. Er hörte nicht zu, starrte gelangweilt auf Annes
Mineraliensammlung in der kleinen Vitrine am Fenster und ärgerte sich
zunehmend. Dass Hans so ganz freiwillig nur ihn und diese Heike eingeladen
hatte, war ziemlich unwahrscheinlich. Schließlich war es sein Geburtstag, und
dazu gehörten seine Freunde, nicht die von Anne.
    Aber Hans tat sowieso alles, was Anne verlangte, ohne zu fragen, ohne
sich Gedanken zu machen. Er war glücklich, wenn Anne glücklich war. — Und das war
sie an diesem Abend. Sie saß wie eine Glucke zwischen ihrem aktuellen und ihrem
abgelegten Geliebten und heuchelte Interesse an modernen Dieselmotoren!
    Aber irgendwann schien selbst sie genug zu haben, und bei Filetspitzen
in Burgundersoße wechselte sie ziemlich abrupt das Thema. Sie ließ sich von
Chris genau schildern, was er unternommen hatte, wie er auf Karin gestoßen war,
was Susanne über die Obduktion gesagt hatte. Einfach alles. Als er Tinni
erwähnte, wurde ihre Miene streng. Sie hatte einfach nie verstehen können, was
ihn und die „Venus von Kilo“ miteinander verband. „Solche Leute sind kein
Umgang für dich“, hatte sie mal gesagt. „Wenn du dich mit so halbseidenen Typen
umgibst, wirst du es nie zu was bringen.“ Ob Chris es überhaupt „zu was bringen“
wollte, beziehungsweise ob er darunter Geld und Karriere verstand, hatte sie
leider nie hinterfragt.
    Sie waren schon beim Dessert, einem Vanillepudding mit Himbeersoße,
als Chris seinen Rapport endlich abschloss.
    „Diese Karin scheint dich ja mächtig beeindruckt zu haben“, stellte
Anne wie beiläufig fest und kratzte mit dem Löffel auf dem Boden ihrer
Puddingschale herum.
    „So ein Quatsch!“, giftete Chris.
    „Na, zumindest ist es die erste Frau seit langem, die du dir genauer
angeschaut hast.“
    „So war das doch

Weitere Kostenlose Bücher