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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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dir alle Sorgen abnimmt. Der ist nicht so!«
    Â»Da hast du recht. Wir sind uns sehr ähnlich.«
    Â»Ã„hnlich?«
    Â»Nun ja. In kritischen Situationen treten wir beide den Rückzug an. Wie Feldmarschall Kutusow.«
    Â»Man sollte Feigheit und Verantwortungslosigkeit nicht als wohldurchdachte Strategie ausgeben.«
    Â»Vielleicht hast du recht. So sind wir also beide auf dem Rückzug, bis wir mit unseren Hinterteilen irgendwo anstoßen. Kannst du mir ein bisschen Geld leihen, ich brauche es für die Tests.«
    Â»Natürlich. Nur bin ich im Moment selber etwas klamm. Ich muss für Ignatij Sommersachen kaufen, er wächst, als sei er aus Hefe.«
    Â 
    Mein Bauch wuchs ebenfalls, als sei er aus Hefe. Zum Ende des sechsten Monats träumte ich von einem Spezialsofa mit einem Loch auf Bauchhöhe.
    Nach wie vor fühlte ich nichts für mein Kind, sprach nicht mit ihm, sang ihm keine Lieder vor, suchte keinen Namen.
    Â»Und wenn es nun so ist, dass die Frucht im Bauch weder ein Gedächtnis noch ein psychisches Leben hat.«
    Â»Was dann?«
    Â»Dann scheint es einfach ziemlich dämlich zu sein, mit einem schwangeren Bauch klassische Musik zu hören und Fremdsprachen zu lernen. Da kann man auch gleich einem Kaktus eine Sarabande vortanzen.«
    Â»Nein, ich glaube nicht, dass sie dort nichts fühlen und denken. Als ich mit Ignatij schwanger war, reagierte er auf Streicheln und hörte auf, mich zu treten.«
    Â»Ein Hund reagiert auch auf Streicheln, und eine Zimmerpflanze darauf, dass man sie gießt.«
    Â»Es ist sinnlos, mit dir zu diskutieren, du musst erst dein Kind bekommen, dann können wir wieder miteinander reden.«
    Â»Wahrscheinlich … Olga, kannst du mir noch ein paar Hunderter geben?«
    Ich litt unter katastrophalem Geldmangel. Die Redakteure schienen sich gegen mich verschworen zu haben – entweder verschleppten sie meine Honorarzahlung oder sie zahlten überhaupt nicht und beriefen sich darauf, dass mein Artikel nichts tauge. Ich fing unter Olgas missbilligendem Blick wieder an zu rauchen.
    Â»Ira, das ist doch schädlich fürs Kind.«
    Â»Für mich ist jetzt das Nichtrauchen schädlich. Denk doch nur daran, was für ein Stress das für einen leidenschaftlichen Raucher ist.«
    Â»Dem Kind zuliebe kann man das aushalten.«
    Â»Olga, zermartere mir nicht das Hirn. Wir nehmen schlechte Nahrung zu uns, atmen schlechte Luft ein, tragen Synthetik …«
    Â»Ich trage keine Synthetik!«
    Â»Und die Strumpfhosen an deinen Beinen sind wohl aus Naturseide? Wenn man durch das Moskauer Stadtzentrum geht, zieht man sich das gesamte Mendelejewsche Periodensystem rein. Zigaretten sind dagegen eine Lappalie. Es ist ja auch erlaubt, während der Schwangerschaft trockene Weine zu trinken.«
    Â»Wobei du dich aber nicht nur auf die trockenen beschränkst. Ira, hör auf, dich verrückt zu machen, und geh zu deinen Eltern zurück.«
    Â»Du störst mich, ich will diese Sendung sehen …«
    Im Fernsehen lief gerade ein Beitrag über das Klonen von Tieren.
    Â»Olga, was meinst du, wenn man nicht nur Tiere erfolgreich klonen kann, sondern auch Menschen, wer wird dann wohl am meisten geklont?«
    Â»In welchem Sinne?«
    Â»Frauen oder Männer?«
    Â»Eine seltsame Frage. Halbe-halbe, natürlich.«
    Â»Und wofür braucht man dann noch so viele Frauen, wenn sie keine Kinder mehr zur Welt bringen? Worin besteht dann ihre unanfechtbare Einzigartigkeit? Schau mal, Frauen stehen mittlerweile alle Wege offen, aber immer noch gehört der Löwenanteil des intellektuellen und materiellen Reichtums den Männern.«
    Â»Die Frauen verfeinern das, was die Männer geschaffen und entdeckt haben. Sie vervollkommnen es.«
    Â»Was haben denn die Frauen vervollkommnet? Den Eiffelturm? Haben sie etwa Michelangelos David verfeinert? Was haben die Frauen denn für die groben Männer vollendet, die des Gefühls für das Herrliche beraubt sind? Die Kasaner Kathedrale? Die ägyptischen Pyramiden?«
    Â»Nein, aber du kannst jedes beliebige Buch über Psychologie aufschlagen …«
    Â»Was soll ich mit der Psychologie! Meinst du, ich sehe nicht selbst, dass die Frauen sich dieses Märchen ausgedacht haben? Es gibt Wegbereiter und solche, die hinterhertraben. Und es spielt keine Rolle, welches Geschlecht sie haben. Du arbeitest in einer Galerie. Sag, wer hat der
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