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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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Schnurrbart angemalt?«
    Â»Ich kann mich an den Namen nicht erinnern. Irgendein Kerl … Aber eine Frau kann trotzdem eine wissenschaftliche Entdeckung machen, Marie Curie zum Beispiel. Margaret Thatcher …«
    Â»Ja, aber das ist selten. Die große Masse dient der Familie oder ihrem Mann.«
    Â»Ach was, schau dir doch nur mal die Leiterin meiner Galerie an. Zwei Hochschulstudien, drei Autos, kann Fremdsprachen und sieht aus wie dreißig, obwohl sie bald fünfzig wird. Sie ist zwar kinderlos, hat aber dafür Karriere gemacht.«
    Â»Ja, für eine kinderlose Frau ist es viel leichter, Karriere zu machen, aber sie tut es in einer Welt, in der ihre Schwestern immer noch Kinder zur Welt bringen. In einer Welt, in der sie trotz allem als potenzielle Mutter gilt. Wo die Männer in Erinnerung an ihre eigenen Mütter trotz allem die Frau in ihr sehen, wenn auch unbewusst, ihr den Vortritt lassen und die Tür aufhalten.«
    Â»Nun ja …«
    Â»Ja! Sie werden zumindest rein metaphorisch die Tür aufhalten. Die Frau ist eine potenzielle Schöpferin neuen Lebens, etwas, was Männer nicht können. Und in einer Welt, in der Frauen keine Kinder mehr zur Welt bringen und nicht einmal mehr hypothetische Mütter sind, wird es wohl kaum noch eine Frau schaffen, sich an die Spitze vorzuarbeiten. Was soll sie denn da? Was kann sie, was nicht auch ein Mann kann? Ich möchte überhaupt bezweifeln, dass sie sie über den Waschwannenrand hinausschauen lassen. Es sei denn, sie ist eine bekannte Hetäre oder eine Geisha. Alle Verdienste der Feministinnen stürzen im Moment der Aufhebung der reproduktiven Funktion in sich zusammen.«
    Â»Ira, meinst du nicht, du hast dich da in etwas verrannt? Wäre es nicht besser, du würdest über deine eigene Zukunft nachdenken, dem Kind eine Mitgift vorbereiten?«
    Â»Du verstehst das nicht.«
    Â»Ira, entschuldige, aber ich werde dir kein Geld mehr geben. Nicht, weil es mir darum leidtäte, sondern weil du davon wieder nur Zigaretten und Alkohol kaufst.«
    Â»Die Plazenta lässt keine Schadstoffe durch!«
    Â»Das kannst du deiner Mutter erzählen. Schau dich doch mal an, du bist nur noch Haut und Knochen, na ja, und der Bauch ragt hervor. Du machst aus dem Kind schon jetzt einen Psychoten. Oder einen Alkoholiker. Es kriegt doch sowieso schon einiges vererbt, von der Mutter wie vom Vater.«
    Â»Minus und minus macht plus.«
    Â»Gott hat seine eigene Mathematik. Lass deine Reflexionen und geh zu deinen Eltern zurück.«
    Â»Mach dir keine Sorgen, Olga, ich werde in den nächsten Tagen ausziehen.«
    Â»Das meine ich nicht, und du weißt das.«
    Â»Was soll ich denn meinen Eltern sagen? Guten Tag, liebe Mama, guten Tag, lieber Papa, ich habe keine richtige Arbeit, keinen Mann, aber dafür bin ich im sechsten Monat schwanger.«
    Â»Ich finde, du dramatisierst ein wenig. Sie werden das Kind lieben, du wirst schon sehen.«
    Â»Ich will nicht …«
    Â 
    Genau zu diesem Zeitpunkt beschloss ich, mir die Hälfte des Geldes von Veras Vater zu holen.
    Schließlich trug ich sein Kind aus. Er arbeitete noch und ich würde ein Jahr zu Hause sitzen und Windeln waschen. Ich war also gezwungen, mir das Geld zu holen. Er würde es wohl kaum bei sich tragen, sondern in der Wohnung aufbewahren.
    Den Wohnungsschlüssel hatte ich beim Auszug auf dem Telefontischchen liegen gelassen, in meiner Hosentasche jedoch heimlich eine Kopie mitgenommen.
    Â 
    3. Januar 2004
Die Glatze
    Â 
    Veras Glatze fängt an, hinten zuzuwachsen. Sie hatte sie sich durch das ständige Liegen in den ersten Monaten ihres Lebens aufgerieben. Es war eine lustige runde Glatze …
    Ihr Urgroßvater hatte auch so eine, nur vorn. Vielleicht schlief er gern heimlich auf dem Kopf stehend?
    Das ist unser Leben: von Glatze zu Glatze.
    Â 
    4. Januar 2004
Fremd unter seinesgleichen
    Â 
    Eine gute Bekannte von mir, Mutter zweier Kinder, sagte mal zu mir: »Geh nie mit anderen Muttis und Kinderwagenschieberinnen spazieren, Ira. Du verblödest im Handumdrehen. Jede dieser Muttis für sich genommen ist ja nicht so schlimm, aber wenn sie sich zusammenrotten, sind sie dumm wie Brot.«
    Meine Mutter hingegen ist der Auffassung: »Ira, geh spazieren, unterhalte dich mit deinesgleichen. Wieso? Du wirst viel Interessantes und Nützliches erfahren.«
    Ich denke, dass ich von diesen Kinderwagenschieberinnen nichts

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