Fehlt noch ein Baum
vor Hühnerknochen überquoll, die Veras Vater sammelte und sie dann aus dem Fenster »den Hunden« zum Fraà vorwarf, und um das Bett reihte sich ein Patronengürtel von Präservativen und verschrumpelten Socken, die dort liegen geblieben waren, wo er sie sich von den FüÃen gestreift hatte.
Ich hatte mein Heim mit mir mitgenommen. Mein tragbares Heim mit steuerbaren Atomsprengköpfen â¦
Wie schnell hier alle meine Spuren verwischt worden waren.
Ich nahm einen Stuhl, kletterte zur Zwischendecke hinauf und tastete mich an den gewissen Ort vor.
Das Geld war weg.
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3. Februar 2004
Die Zimmerdecke
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Wenn man Vera zur Zimmerdecke hochhebt, lacht sie. Das Lachen reicht von einem Ohr zum anderen, die Nasenlöcher ziehen sich zusammen und öffnen sich wieder. Sie sind so klein wie Apfelkerne.
Vielleicht bekommt man grundsätzlich bessere Laune, wenn man hochgehoben wird? Vielleicht haben die Erwachsenen diesen Trick nur vergessen?
Da kommt man zum Beispiel zur Passstelle, um eine Bescheinigung zu holen. Schlechtgelaunte Tanten sitzen da, und eine von ihnen ist einem völlig übel gesinnt. Man hebt sie also mit ausgestreckten Armen zur Zimmerdecke hinauf! Und sie fängt an zu lachen, bis über beide Ohren, die goldenen Zahnkronen werden sichtbar und dazu die zwei Nasenlöcher wie zwei Pflaumen, die Schluckauf haben â¦
Da bekommt man gleich bessere Laune.
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5. Februar 2004
Von der Rettung
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Wenn Vera mehr als fünfzehn Minuten allein in ihrem Kinderstuhl sitzt, bricht sie in ein Schluchzen mit Tendenz zum Schreien aus.
Wenn meine Tochter mehr als eine Stunde allein in ihrem Bettchen bleibt, brüllt sie aus voller Kehle.
Wenn Vera mutterseelenallein auf dem kalten Balkon aufwacht, weint sie bitterlich und kann sich nicht einmal die Tränen abwischen, weil sie fest in eine Decke gewickelt ist.
Jedes Mal, wenn ich ihr zu Hilfe eile, meine Tochterauf den Arm nehme und ihr die Tränen trockne, fühle ich mich nicht einfach nur als Retter, sondern geradezu als Erlöser â¦
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9. Februar 2004
Krümel
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Veras Feinmotorik entwickelt sich immer besser. Auch ganz winzige Gegenstände interessieren sie jetzt. Zum Beispiel Krümel auf dem Boden. Mit Hingabe hebt sie sie mit zwei Fingern vom FuÃboden auf und isst sie.
Dadurch bildet meine Tochter nach und nach ihren Ordnungssinn und stärkt ihr Immunsystem.
Nie werde ich vergessen, was mir meine Literaturlehrerin, Mutter zweier Kinder, einmal gesagt hat: »Ira, Kinder müssen Dreck fressen, um gesund zu sein.«
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10. Februar 2004
Bauklötze
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Vera hat Bauklötze für sich entdeckt. Sie wirft sie herum wie Gummibälle.
Die Kanten der Bauklötze sind ziemlich scharf (das wiederum ist meine Entdeckung).
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11. Februar 2004
Der Beweis
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Kinder sind das Ergebnis von Sex. Sie liefern damit den unstrittigen Beweis dafür, dass man mindestens einmal Sex hatte. Und was ist mit den Kinderlosen? Wodurch können sie beweisen, dass sie es auch nur ein einziges Mal geschafft haben?
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15. Februar 2004
Von der Brust und der Kloschüssel
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Ich habe immer weniger Milch, sie bleibt von selbst weg. Ich stille Vera nur noch morgens und abends, einfach so, zur Stärkung des Immunsystems. Ansonsten bekommt sie Brei, also eine fast normale menschliche Nahrung.
Man könnte natürlich versuchen, die Milch auszustreichen, und das Mädchen bis zu seinem zweiten oder dritten Lebensjahr stillen, wie es heute in Mode ist, aber ich sehe keinen besonderen Grund dafür.
Ãberhaupt erinnert mich das Ausstreichen oder Abpumpen an einen Vorfall, den meine Bekannte erlebt hat. Früher als ich hatte sie einen Sohn zur Welt gebracht. Man muss sagen, dass sie sich sehr verantwortungsvoll auf die Mutterschaft vorbereitet und einen ganzen Haufen Literatur über Pädiatrie durchforstet hatte. Dabei ging es auch ums Stillen. Sie fand heraus, dass das Stillen ein Allheilmittel für ein kleines Kind ist. Nektar und Ambrosia in einem (bzw. in zwei Brüsten). Und da sie einen sehr gut bezahlten Job in einem Büro mit fester Arbeitszeit hatte und ihr Mutterschaftsurlaub nur sehr kurz gewesen war, musste sie natürlich die Milch während der Arbeit in eine Flasche abstreichen.
Das ging folgendermaÃen vor sich:
Alle drei Stunden ging sie zur Toilette, schloss sich dort ein und pumpte mit Hilfe einer Pumpe die wertvolle Milch für ihren Kleinen
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