Fehlt noch ein Baum
aus ihrer Brust. Damit die Milch schnell und unproblematisch ablief, stellte sich die junge Mutter ein Foto ihres Söhnchens auf den Spülkasten. Das Foto im Blick, pumpte sie also die Milch ab.
Das lief ganz gut, nur bekam meine Bekannte einen Monat später sehr starke Milcheinschüsse, sobald sie eine Toilette betrat, und zwar unabhängig davon, ob sie dorthin ging, um abzupumpen oder um sich einfach nur zu erleichtern.
Interessanterweise bekam sie die Milcheinschüsse auch ohne das Porträt ihres geliebten Kleinen. Sie musste nur einer Kloschüssel ansichtig werden â und schon war die Brust voller Milch, die schnellstens abgepumpt werden musste.
Das Akademiemitglied Pawlow war einfach ein Genie.
Vera also hat sich beim Essen etwas sehr Garstiges angewöhnt. Sie nimmt den Mund voll Brei (Quark, Apfelmus) und sprüht ihn dann wie ein Zerstäuber durch die Gegend. Ich habe schon daran gedacht, meine Tochter zur Behandlung der Zimmerpflanzen einzusetzen. Man könnte mit ihrer Hilfe den Kampf gegen Blattläuse oder Spinnmilben aufnehmen â¦
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19. Februar 2004
Das Abküssen
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Welche sind wohl die schlimmsten Kindheitserinnerungen der Menschheit, natürlich abgesehen vom erzwungenen Verzehr von Milchhaut und dem Tragen kratzender Wollmützen und Strumpfhosen?
Nach den Aufläufen, die ich im Kindergarten essen musste, und dem unliebsamen Tragen einer Zipfelmütze kam bei mir das Abküssen von Verwandten auf dem dritten Platz, wenn irgendeine entfernte Tante oder Oma (oder von mir aus auch die Lieblingsoma) angereist kam und einen mit ihrem schrecklich stinkenden,feuchten Mund küsste, in dem sich gelbe Zähne mit Gold- und Eisenzähnen abwechselten. Und wenn es auch ausschlieÃlich Goldzähne waren, es war trotzdem schrecklich.
Dabei war das Ritual des Abküssens auch beim Abschied unumgänglich. Jedes Mal erstarrte ich auf den Knien meiner Mutter, wenn ich die Worte »So, dann will ich mich mal verabschieden« hörte. Ich wusste, dass man sich nun gleich zu mir herunterbeugen und seinen unhygienischen Speichel auf meinem Gesicht verteilen würde. Und dass ich diese Küsse höflich erwidern müsste.
Ich fürchte, dass auf Vera dasselbe zukommt. Sonst wird man sie für ein unhöfliches Mädchen halten, das von ihrer Mutter schlecht erzogen wurde â¦
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20. Februar 2004
Spuren
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Bei Vera ist heute der dritte Zahn zum Vorschein gekommen. Am Oberkiefer. Von nun an werden die Spuren von ihren Bissen auf meiner Hand folgendermaÃen aussehen:
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28. Februar 2004
Von der Defäkation
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Vera lernt, den Nachttopf zu benutzen, das heiÃt, ich setze sie von Zeit zu Zeit darauf. Manchmal sogar mit Erfolg. Meiner Tochter und mir steht ein langer und steiniger Weg zur Erlangung der Toilettenweisheitbevor, ohne die kein Mensch auf der Erde existieren kann â¦
Und deswegen möchte ich ein wenig darüber sprechen.
An Menschen ist eine gewisse Heuchelei zu beobachten, wenn es um die Defäkation geht. Einerseits tun sie so, als gäbe es sie nicht, andererseits überwachen sie sie mit höchster Besorgnis. Den dritten Tag Verstopfung â höchste Zeit, Glaubersalz zu nehmen ⦠Schon eine Woche kam nichts raus â man muss zum Arzt, mit dem Darm stimmt was nicht.
Der Darm. Das gröÃte innere Organ des Menschen. Das Herz ist ganz klein im Vergleich mit dem Darm und dem, was ihn ausfüllt. Und so geht es allen ⦠Der Kot wiegt bei allen Menschen immer mehr als das Herz, die Leber, die Milz. Man könnte ein Gleichgewicht auf der Waage nur dann herstellen, wenn man die Lunge in die andere Waagschale würfe. Der Riesenschmetterling der Lunge gegen die Anakonda des Darms â¦
Die Europäer haben den Kot immer mit etwas Niederem assoziiert. »Mit dir würde ich nie auf einem Feld scheiÃen« â sagt man hierzulande als Ausdruck höchster Verachtung ⦠Aber das ist nur bei uns so, und es ist fraglich, ob wir zum europäischen Teil der Welt gehören â¦
In Japan, zum Beispiel, ist das alles ganz anders. Vielleicht liegt es daran, dass man dort übermäÃig viel Reis isst. Dort hat man Achtung vor seinem Darm. In Japan ist die Toilettenbenutzung kostenlos.
Ein Land, das praktisch keine Tierzucht kennt, ist stark von der Menge und Zusammensetzung des gesammelten Düngers abhängig. Für die Japaner warenFäkalien Garant und Symbol für
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