feiert Weihnachten
Schneekönigin hinter einem Baum hervorlugte und sie mit einem Eiskristall verzauberte. Ein wenig unheimlich war ihr das schon.
Die wenigen Vögel, denen Nele begegnete, pickten an den letzten übrig gebliebenen Körnern. Sie plusterten immer wieder ihre Federn auf, um die Schneeflocken loszuwerden.
»Wir müssen unbedingt Meisenknödel im Burghof aufhängen, damit die Armen nicht Hunger leiden müssen«, sagte Nele laut in die Stille. Ihre Stimme hörte sich dumpf an, wie in dichtem Nebel. Das lag bestimmt am Schnee. Im Sommer piepste, quietschte und bellte es im Birkenwald aus allen Schlupflöchern und die Blätter leuchteten so knallgrün wie ein Laubfrosch. Heute herrschte eine weiße, feierliche Ruhe. So als ob bereits Weihnachten wäre.
Vielleicht konnte Nele ja Lukas überreden, mit ihr zusammen die Burgzinnen zu schmücken. Am Sonntag wurde selbst auf dem Bauernhof seiner Eltern nicht gearbeitet, und Lukas hatte den ganzen Tag frei, sobald er morgens die Stalltiere gefüttert hatte.
»Schneeflöckchen, Weißröckchen«, sang Nele in die Winterlandschaft. Sie versuchte es Sammy nachzumachen und die kalten Flocken mit ihrer Zunge einzufangen. »Wa-a-nn kommst du geschneit …«
Im selben Augenblick traf sie etwas Hartes am Hinterkopf.
»Autsch!« Sie drehte sich erschreckt um.
Niemand zu entdecken. Sie konnte nicht einmal sehen, was sie so schmerzhaft erwischt hatte. »Wer war das?«, rief sie empört.
Suchend drehte sie sich im Kreis herum. Kein Missetäter weit und breit.
»Ahhhhh!« Diesmal hatte der unverschämte Kerl ihr linkes Ohr erwischt!
Es brannte wie Feuer, trotz der Kälte. Wie dumm, dass sie vergessen hatte, ihre Pudelmütze aufzusetzen.
Im selben Augenblick war ihre Nase dran. »Auaaah!« Direkt vor ihren Füßen lag ein eisiger Tannenzapfen. Nele hob den Zapfen wütend auf und überlegte stirnrunzelnd. Ha! Das konnten doch nur …
»Florian? Basti? Kommt sofort aus eurem Versteck heraus, ihr Feiglinge!«, brüllte sie los. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass ihre beiden Mitschüler hinter einem Busch hockten und mit den harten Tannenzapfen auf sie zielten. Seit Nele mit Florian und Basti in eine Klasse ging, ärgerten die zwei sie, wann immer sich die Gelegenheit ergab. Es raschelte über ihrem Kopf und feiner Schnee rieselte auf ihren Lockenkopf herab. Eilig sah Nele nach oben.
»Na, so was. Du Schlingel!« Auf einem Ast saß ein schokoladenbraunes Eichhörnchen mit einem riesigen buschigen Schwanz und blinzelte listig. Soeben war es dabei, einen weiteren Zapfen in Neles Richtung zu werfen.
Nele konnte gerade noch zur Seite hechten, um nicht erneut getroffen zu werden.
»Wenn Sammy hier wäre, könnte er mit dir spielen«, rief sie bedauernd. Ihr Hund liebte es, hinter Tannenzapfen herzujagen, die man wegwarf. Die beiden würden prima zusammenpassen.
Danach erlebte Nele keine weiteren Überfälle. Und auch Basti und Florian ließen sich zum Glück nirgends blicken.
Nele sang Schneeflöckchen, Weißröckchen viereinhalbmal von der ersten bis zur letzten Strophe durch, bis sie endlich den rauchenden Schornstein vom Bauernhof erblickte. Ihre Ohren fühlten sich an wie gefrorene Lappen und ihre Finger waren so kalt wie Eiszapfen.
Aber bestimmt würde ihr Lukas’ Mama eine heiße Schokolade kochen, wie immer, wenn Nele vorbeikam. Vielleicht hatte sie sogar schon leckere Plätzchen gebacken. Nele lief das Wasser im Mund zusammen und sie lief noch ein bisschen schneller.
Aber was wollte der riesige Lastwagen an einem Sonntag auf der Einfahrt? Er war von oben bis unten mit dunkelgrünen Nadelbäumen beladen. Lukas’ Vater und ein paar kräftig aussehende Männer waren dabei, das Fahrzeug zu entladen und die Bäume nebeneinander vor dem Weidenzaun aufzureihen. Ob das schon echte Weihnachtstannen waren? Nele bekam ein ganz kribbeliges Gefühl im Bauch.
Ah! Da war ja auch Lukas. Er hatte seinen Blaumann an. Den zog er sonst nur über, wenn er Schafe oder Kühe von der Weide trieb. Seine Hände steckten in viel zu großen Handschuhen, und er machte ein äußerst grimmiges Gesicht, als er eine Tanne vom Lastwagen zerrte, die größer war als er selber.
Obwohl Lukas eindeutig superschlecht gelaunt war, musste Nele furchtbar lachen, als sie ihn anguckte. Seine Haare steckten nämlich voller spitzer Tannennadeln, und da es noch heftiger zu schneien begonnen hatte, sah er selber aus wie ein süßer kleiner Weihnachtsbaum.
»Hei, verkauft ihr etwa auch Weihnachtsbäume?«, fragte
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