Feind aus der Vergangenheit
„Der Streß des Überfalls auf den Geldtransporter. Um mich zu beruhigen, bin
ich wie üblich umhergefahren — zum Glück auch bei Paluschke vorbei. Dieser
Schock! Mein Kumpel in Handschellen! Dann noch ein Schreck, weil ich den Bullen
die Karre ramme. Wieder Streß bei der Überprüfung meiner Person. Das macht
nicht nur Norbert Trensl fertig. Das geht auch Hans-Hennig von Socke-Paulmann
in die Knie. Beide Herren sind total geschafft.“
Petra deutete auf seine
Fingernägel „Blut?“
„Farbe. Ich war der
verunglückte Radfahrer, der mit abgetrenntem Arm auf der Straße lag.“
„Norbert, du legst dich jetzt
hin!“ gebot Spockhoff. „Wir haben oben ein kleines Zimmer mit Feldbett. Da
kannst du dich ausschlafen. Petra kocht inzwischen was Leckeres. Und heute
abend feiern wir unser Wiedersehen.“
Trensl nickte. „Gut, für eine
halbe Stunde strecke ich mich aus. Dann würde ich wirklich gern essen. Seit
gestern abend schiebe ich Kohldampf. Bei der Hektik, die unser Nero draufhat,
kommt man zu nichts.“
Spockhoff zeigte ihm das
Zimmer.
Trensl nahm seinen Koffer mit.
„Und euren Chef kennt ihr
wirklich nicht?“ fragte der Alt-Bomber.
„Keinen blassen Dunst haben
wir.“ Trensl stellte den Koffer ans Fußende des Feldbetts.
„Wo steht dein Wagen?“
„In einem Parkhaus am
Hauptbahnhof. Wird Wochen dauern, bis der Opel dort auffällt.“
Spockhoff schloß die Tür von
außen, ging die Treppe hinunter und bemühte sich, ruhig zu bleiben.
Petra stand inmitten des
Wohnraums, als wäre sie angewachsen.
Stille. Spockhoff wußte: Sie
dachten beide das gleiche. Sie kannten sich zu genau. Wenige, scheinbar ausdruckslose
Blicke genügten.
Dennoch mußte es ausgesprochen
werden.
„Wenn wir uns diese Gelegenheit
entgehen lassen“, sagte Petra leise, „verdienen wir Prügel.“
Jo nickte. „600 000! Unsere
letzte Chance. Wir verduften in die Schweiz. Von dort aus nach Spanien. Wenn
wir das Geld gut anlegen, reicht es lange. Jobben können wir überall. Aber wir
müssen Trensl ausschalten. Er darf nicht aufwachen, wenn wir uns seinen Koffer
unter den Nagel reißen. Hast du die K. O.-Tropfen noch?“
„Im Keller. Das Fläschchen ist
gut verschraubt. Sie sind ein bißchen alt, die Tropfen. Aber soviel ich weiß,
behalten sie ihre Wirkung. Es genügt ja, wenn er drei Stunden bewußtlos ist.
Ich werde ihm mexikanischen Bohnentopf kochen. Der ist scharf gewürzt. Da fällt
der Kotz-Geschmack der Tropfen nicht auf. Erst kriegt man Magenkrämpfe von dem
Zeug — und dann — zack! — rutscht man vom Stuhl.“
„Fang gleich an! Ich mache
inzwischen einen kleinen Spaziergang.“
„Du überläßt mir wieder alles.“
Er grinste froschäugig. „Kann
ich dir helfen beim Kochen? Na, also! Es würde nur auffallen, wenn wir beide
nicht mitessen. Du stehst in der Küche, aber ich müßte am Tisch sitzen.“
„Hast ja recht!“ Sie gab ihm
einen Klaps auf die Wange. Spockhoff zog seinen Mantel an und trollte sich.
Petra blieb in der Küche.
Nur eine Dreiviertelstunde
verging, dann kam Trensl die Treppe herunter.
„Wie das so ist“, meinte er,
„ich bin zerschlagen, aber ich kann nicht schlafen. Terrorismus ist ein harter
Job. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht klüger getan hätte, Staatsbeamter zu
werden. Mit dem richtigen Maß an Faulheit, Fehlentscheidungen, Bestechlichkeit
und Sturheit — damit kannst du dem Staat genauso schaden. Aber wem erzähle ich
das! Ist Jo unterwegs?“
„Er muß noch was besorgen. Setz
dich drin an den Tisch. Gleich wird serviert.“
Die Küche roch nach rotem
Pfeffer, Rindfleisch und Bohnen. Trensl verzog sich. Sie unterhielten sich
durch die geöffnete Tür. Dann erhielt der Terrorist einen tiefen Teller mit dem
mexikanischen Gericht.
Petra ging in die Küche zurück,
streifte Gummihandschuhe über und begann, die Töpfe zu schrubben.
„Schmeckt großartig!“ rief
Trensl. „Du! Hätte ich gewußt, daß Jo in die Stadt geht, hätte ich ihn gleich
gebeten.“
„Worum?“
„Daß er das Geld für mich...
ahhh“, er stöhnte auf, „daß er das Geld für mich holt.“
Petra war schon im Wohnraum.
„Was? Wieso holen? Ist das Geld nicht im Koffer?“
Trensl schwitzte. Das Gericht
war höllisch scharf. Er hatte den Teller fast leer gegessen, preßte aber jetzt
die Hände an den Leib.
„Nein!“ keuchte er. „Natürlich
nicht. Wußte ich denn, ob ich geschnappt werde auf dem Weg zu euch? Der Koffer
ist für den Notfall gepackt, steht immer bereit und...
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