Feind aus der Vergangenheit
Schnellstraße und würden die Stadt bald
erreichen.
Glockner ließ keinen Blick von
der Fahrbahn.
An den Bäumen rupfte ein kalter
Wind. Westlich der Großstadt schoben sich Wolken zusammen. Wahrscheinlich würde
es regnen.
Plötzlich bremste Glockner. Der
Wagen rollte noch und hielt dann.
„Ist das ein Igel?“ Er beugte
sich vor.
Die vier Kids reckten die
Köpfe.
„Ein Igel“, nickte Karl.
„Zusammengerollt.“
„Toll, daß du ihn gesehen
hast“, freute sich Gaby. „Tatsächlich! Der kleine Kerl hat sich mitten auf die
Straße gelegt.“
„Vielleicht schläft er gern auf
harter Unterlage“, meinte Klößchen und holte Schokolade aus der Hosentasche.
„Unsinn!“ meinte Gaby. „Er
wurde erschreckt. Aber nicht von Fuchs, Dachs oder Raubvogel, sondern von einer
Benzinkutsche. Deshalb rollt er sich zusammen. Aber der nächste Wagen
zermatscht ihn.“
„Laß mich mal vorbei“, meinte
Tim.
Über Gabys Schoß kletterte er
zur Tür hinaus.
Der Igel lag zwei Meter vor dem
rechten Vorderrad: eine stachelige Kugel voller Flöhe.
Tim breitete sein Taschentuch
aus und rollte den Erinaceus europaeus (lateinische Bezeichnung) auf die
karierte Baumwolle. Er wurde unter die Bäume getragen, wo Tim ihn ins Gras
legte.
„Habt ihr gehört, wie er
faucht? Hoffentlich ist kein Bach in der Nähe. Sonst hat der Fuchs leichtes
Spiel.“
„Was meinst du?“ fragte Gaby.
„Füchse“, erklärte Tim, „sind
die natürlichen Feinde der Igel. Freilich — gegen einen zusammengerollten
Stachelträger ist auch der Fuchs machtlos. Wenn er diese Festung knacken
wollte, würde er sich die Nase blutig stechen. Deshalb hat er sich was
ausgedacht. Er schubst den Igel ins Wasser. Ist Tatsache und leider kein Spaß.
Im Wasser muß sich der Igel entrollen, weil er anders nicht schwimmen kann. In
dem Moment packt ihn der Fuchs am Kopf. Tja, so grausam ist die Natur. Aber am
grausamsten sind die Menschen. Denn das größte Gemetzel unter den Igeln richten
die Autos an.“
„An jeden Wagen gehörte ein
Suchscheinwerfer für Igel“, meinte Gaby. „Das müßte man den Herstellern
vorschlagen.“
„Ist gar nicht nötig. Wenn man
besonnen fährt — und auch für Tiere bremst, genügt bei Tage der Scharfblick und
nachts das normale Scheinwerferlicht.“
Sie fuhren weiter.
Glockner, der sich in den
Randgebieten der Stadt bestens auskennt, fand den Weg.
Im Industrie-Viertel roch die
Luft nach Schwefel und Umwelt-Vernichtung. Als sie den Doderer Weg erreichten,
hatte sich der Duft etwas verdünnt. Westlich der Stadt liegen Rieselfelder. In
der Ferne krümmt sich die Stadtautobahn zu einer kilometerlangen Kurve.
„Also — Nummer 47 a“, sagte
Glockner. „Wir fahren erst mal vorbei und prüfen die Lage.“
Die Spockhoff-Adresse war ein
verkommenes Haus in einem verwilderten Garten. Vor der Garage stand der rostige
Mercedes, den Tim kannte.
„In der Karre saß ich schon“,
sagte er.
Alle sahen hinüber.
In diesem Moment wurde die
Eingangstür aufgerissen. Ein Mann kam heraus.
„Das
ist er!“ flüsterte Tim.
Hinter Spockhoff fiel die Tür
ins Schloß. Der Alt-Terrorist rannte zum Wagen und warf sich hinters Lenkrad.
„Habt ihr gesehen, wie gehetzt
der aussieht?“ meinte Tim.
„Da ist was im Busch.
Wahrscheinlich hat Trensl angerufen, und Spockhoff holt ihn jetzt ab.“
Tim drehte sich um. Durchs
Heckfenster sah er, wie der Mercedes stadtwärts preschte.
*
Petra Spockhoff, die Frau mit
den gelben Haaren, schob den Schlüssel in das Schloß von Fach Nr. 339.
Noch eine Umdrehung, dachte
sie, und das Geld gehört mir!
Sie lächelte. Der Lärm aus der
Bahnhofshalle drang gedämpft in den Schließfach-Raum. In langen Reihen waren
die großen Metall-Boxen aufgereiht: immer zwei übereinander. Nr. 339 war eins
der oberen Fächer.
600 000! dachte Petra. Kann mir
gar nicht vorstellen, wie das aussieht. Ob es hauptsächlich Hunderter sind —
oder auch kleinere Scheine?
Sie öffnete das Fach.
Verwundert betrachtete sie den
metallischen Behälter, der das Fach zur Hälfte ausfüllte. Er war etwas größer
als ein Bordcase. Eine Antenne ragte heraus und berührte die Oberseite des
Schließfachs.
Wie ein Kofferradio, dachte sie
— und streckte die Hand aus.
„Petra!“ schrie Joachim
Spockhoff am Anfang der Schließfach-Straße. „Nicht berühren! Hände weg!“
Sie erstarrte, fuhr herum, ließ
den Mund offen und sah ihrem Mann entgegen.
„Hast du mich erschreckt!“
Er kam heran, keuchte,
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