Feind der Familie (Rex Corda Nova) (German Edition)
Dienstbeflissenheit gekostet hatte, wäre er sicher weniger begeistert gewesen, doch in einem hatten alle recht: Sigam war intelligent und zu Pragmatismus in der Lage. Er hatte erkannt, daß die von ihm so sehr angestrebte Unabhängigkeit und eigene, autonome Machtbasis auch davon abhing, daß er eine tadellose Offizierskarriere absolvierte, um den Respekt der Flottenführung zu erreichen, vor allem aber jener mittleren Offiziere, mit denen er diente und die in nicht allzu ferner Zukunft in die höchsten Ränge der Streitkräfte aufsteigen und sich des Sigam Agelon wohlwollend erinnern sollten.
Und so war aus ihm ein Musteroffizier geworden, dem keine Aufgabe zu gering und kein Befehl zu widersinnig war. Der Lohn war schnell gekommen: Nach zwei Jahren als zweiter stellvertretender Funkoffizier würde er nun, nach seinem Urlaub, das Kommando über einen A-Vaut-T-Diskus erhalten, sein erstes eigenständiges Raumkommando mit einer Mannschaft von acht Orathonen.
Der Diskusraumer von 53 Metern Durchmesser war das Rückgrat der flexiblen Einsatzgeschwader der orathonischen Flotte und fehlten in keinem Kampfszenario. Jeder spätere Kommandant eines Schlachtkreuzers hatte erst eine Dienstzeit auf einem Diskus absolviert, um sich mit den Realitäten der Kommandoführung vertraut zu machen. Manche blieben dem wendigen und universell einsetzbaren Schiffstyp für immer verbunden und stiegen zu Geschwaderführern auf oder wurden mit schwierigen Einzelmissionen betraut.
Agelons Pläne gingen darüber jedoch deutlich hinaus - weit hinaus. Dennoch freute er sich auf sein erstes Kommando und hatte den aus sich heraus glühenden grünlichen Edelstein auf den Epauletten seiner farbenprächtigen Uniform, der einen Kommandooffizier - unabhängig vom Dienstgrad - erkenntlich machte, mit Stolz und Genugtuung entgegen genommen. Wer ein eigenes Kommando führte, der war galt etwas in der Flotte und genoß die Bewunderung der Zivilbevölkerung. Da Agelon sich diese Auszeichnung redlich erarbeitet und sie keinesfalls irgendeinem Protektionismus seines Vaters zu verdanken hatte, wog noch schwerer und Agelons Freunde und Unterstützer taten das Ihre, diese Tatsache in der Flotte zu verbreiten. Auch Moga war dies nicht entgangen und seine Einladung zur Sommerfrische der Agelons mochte so etwas wie eine stille Anerkennung darstellen, wenngleich Sigam nicht damit rechnete, dem Familienoberhaupt während seines Aufenthaltes in Person zu begegnen.
Insgesamt drei Dutzend Agelons waren im Palast eingetroffen, viele davon die Frauen des Moga. Sie trugen graue Kleider, denn Unara, die Hauptfrau, war vor kurzem verstorben. Frauen galten nichts unter den Orathonen, sie waren nicht mehr als Eigentum der Männer und hatten sich ihrem Willen gänzlich zu unterwerfen. Als Sigam die Frauen des Haushaltes mit trippelnden Schritten durch die Gänge huschen sah, erinnerte er sich daran, daß den Mädchen hoher Familien früh die Sehnen an den Füßen gekürzt wurden, damit sie, dem orathonischen Schönheitsideal entsprechend, nur mit Trippelschritten zu gehen in der Lage waren.
Gerüchte durchzogen den Sommerpalast, vor allem die Frage danach, wer Unara als Hauptfrau des Moga nachfolgen und welche neue Frau in den Harem des Moga aufsteigen würde. Moga, als Herrscher über alle Orathonen, war gleichzeitig Symbol der Macht des Reiches und es wurde von ihm erwartet, diese Macht und Energie in allen Belangen unter Beweis zu stellen. Daher hatte der Herrscher des Reiches traditionell immer mindestens zwölf Frauen, und nach dem Tode Unaras mußte diese Zahl wieder aufgefüllt werden.
Alle Gerüchte wiesen auf eine spezielle Person hin, und Sigam wußte nicht, ob er darüber froh sein sollte oder nicht. Er hatte Santarra schon vor Jahren kennengelernt, als sie noch einfache Bedienstete im Hause des Agelon war. Die junge Frau hatte seine Begierde entdeckt und ihr Geschick im Umgang mit seinem aufbrausenden Charakter hatte andere, Sigam bisher unbekannte Gefühle erweckt. So oft er Zeit hatte - was aufgrund seiner Verpflichtungen selten genug war - hatte er sie besucht, und erst am Abend nach dem Abschlußball der Offiziersakademie war mehr daraus geworden. Sie hatten sich geliebt, und seitdem immer, wenn Agelon auch nur wenige Tage Heimaturlaub bekommen hatte. Auch jetzt war er der großzügigen Einladung Mogas vor allem deswegen gefolgt, weil er wußte, daß Santarra sich im Gefolge befand - hier, im Palast, in dessen Weitläufigkeit sich Sigam ausgezeichnet
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