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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Berührung gekommen sind, wie Sie deren Ideologie angenommen haben und wie dies anschließend zu Ihrem Beitritt bei verschiedenen Organisationen staatsfeindlichen Zuschnitts geführt hat?«
    Carl seufzte. Doch jetzt, bei seinem zweiten Besuch im Haus, hatte er sich zum erstenmal einigermaßen unter Kontrolle.
    »Es begann mit dem Vietnamkrieg«, sagte er. Er erzählte zwanzig Minuten lang ohne Unterbrechung, während der Oberstleutnant dabei in dem Archivmaterial las, in dem das meiste schon festgehalten war.

4
    Der Alte saß in einem Wagen der US Navy mit verhangenen Fenstern. Er hatte noch eine Stunde Fahrt durch die Wüste vor sich, bevor er endlich da war. Seine Gemütsverfassung schwankte zwischen deprimierter Niedergeschlagenheit und Wut oder zumindest wütender Entschlossenheit.
    Es gab zwei Alternativen.
    Entweder war es dem Gegner gelungen, Carl ausgerechnet hier in Kalifornien anzuwerben, und damit wäre den Russen ein Unternehmen gegen Schweden gelungen, das über jedes faßbare Maß hinausging. Dann hatte die Operation Big Red vermutlich nie stattgefunden, und das bedeutete, daß die Sowjetunion in Schweden schalten und walten konnte, wie sie wollte. Sie wäre fähig, Regierung und Militärs nach Belieben gegeneinander auszuspielen. Das war ein unerhörter Gedanke.
    Oder aber die Russen hatten wieder einmal etwas geschafft, was ihnen schon bei vielen anderen Gelegenheiten gelungen war, eine maskirowka, nämlich einen falschen Überläufer einzusetzen, der zunächst zahlreiche korrekte Informationen geliefert hatte, sozusagen als Köder, um dann mit falschen Informationen Verwirrung zu stiften. Oder sie hatten - wie ein paarmal in England geschehen - verschiedene sicherheits und nachrichtendienstliche Organe in einer endlosen Gespensterjagd nach Verrätern, die keine Verräter waren, aufeinander gehetzt. Während die tatsächlichen Verräter vermutlich eher unter denen saßen, welche die Unglücklichen verhörten und quälten.
    Der Alte hatte die überwiegende Zeit seiner Offizierslaufbahn beim Nachrichtendienst zugebracht und war seit fast dreißig Jahren Chef des geheimsten Teils des schwedischen Nachrichtendienstes. Er gehörte der Generation an, die besser Deutsch als Englisch sprach, und der größte Teil seiner Fachliteratur war auf deutsch abgefaßt. Über die peinlichen Erfahrungen der Engländer mit Überläufern, die Desinformation streuten, war er nicht ausreichend informiert. Aber die Engländer mußten doch im Grunde gegenüber allen Überläufern zutiefst mißtrauisch sein? Wenn überhaupt jemand, sollten sie in der Lage sein, eine Provokation zu wittern.
    Andererseits hatten sie keine realistischen Möglichkeiten gehabt, die Auswirkungen der schwedischen Nebeninformation zu beurteilen. Sie hatten nur die Angaben beurteilen können, die eine Verbindung zu Großbritannien gehabt und offenbar dazu geführt hatten, daß tatsächliche russische Agenten vor Gericht gestellt und verurteilt werden konnten.
    Die Russen hatten demnach also in England einen Spionagering geopfert, um Schweden auf Hamilton anzusetzen?
    Falls ja - was wollten sie damit erreichen? Was war so wichtig, daß sie sogar ihre eigenen Agenten »verbrannten«, um ihr Ziel zu erreichen?
    Es gab eine denkbare Antwort. Sie konnten bei den Schweden den Eindruck hervorrufen, die Operation Big Red habe nie stattgefunden, es habe auf schwedischem Territorium nie sowjetische Basen gegeben, es sei alles nur ein in hektischem Aktionismus inszenierter Bluff des schwedischen Militärs gewesen.
    Das wiederum setzte jedoch voraus, daß es ihnen in dem letzten Jahr gelungen war, sämtliche Spuren ihrer Einrichtungen aus dem Weg zu räumen.
    Das bedeutete aber, daß sie sich vollkommen sicher fühlten und davon ausgehen konnten, daß die schwedische Regierung es militärischem Personal nie erlauben würde, die Standorte der Einrichtungen zu inspizieren.
    Auch diese Möglichkeit war höchst unangenehm. Sie setzte eine weit stärkere sowjetische Beherrschung politischer und militärischer Abläufe in Schweden voraus, als man sich selbst in den dunkelsten, pessimistischsten Stunden hatte vorstellen können.
    Andere Möglichkeiten konnte der Alte nicht erkennen. Wahrscheinlich lag die Lösung des Rätsels hier draußen in der kalifornischen Wüste, im US Naval Weapon Center, das Carl »The Sunset Farm« nannte, eine der wohl bemerkenswertesten militärischen Ausbildungseinrichtungen der Welt, zumindest der westlichen. Hier wurden Männer wie Carl

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