Feind des Feindes
en passant angedeutet, welche gesellschaftlichen Pflichten, wie er sagte, in Chelsea auf ihn warteten.
»Well, alter Freund, kann ich dir noch einen Drink anbieten, bevor wir uns trennen?« fragte Sir Geoffrey plötzlich. Dem Alten ging auf, daß er zusammengezuckt sein mußte, als wäre er kurz vor dem Einschlafen.
Jetzt mußte er sich entscheiden.
»Ja, bitte. Gib mir einen kleinen Whisky und etwas Wasser in einem zweiten Glas«, erwiderte er mechanisch, während er innerlich Anlauf nahm.
Sir Geoffrey winkte einen der Kellner zu sich heran und bestellte schnell, worauf er sich unverändert freundlich dem Alten zuwandte. Er hatte den Zeigefinger einer Hand in die Wange gestützt, als brachte er den noch unbekannten Kopfschmerzen des schwedischen Nachrichtendiensts nicht nur freundliche Anteilnahme, sondern auch Interesse entgegen.
»Wir kennen uns ja schon recht lange, Jeff, so daß du mich sicher verstehst, wenn ich jetzt sage, daß ich über meine Anweisungen ein wenig hinausgehen muß«, begann der Alte entschlossen und spürte, wie sein Adrenalinspiegel stieg und die Müdigkeit verjagte.
»Natürlich, alter Knabe, du hast mein volles Verständnis. Schieß los, wie unsere amerikanischen Vettern sagen würden. Schieß einfach los.«
»Nun, um gleich zur Sache zu kommen«, fuhr der Alte fort, wurde jedoch kurz von dem Kellner unterbrochen, der ihm seinen Whisky und das Wasser reichte, »würde ich es für das Einfachste halten, wenn ich zunächst dich frage, ob du etwas von einem unserer jüngeren Offiziere gehört hast, der aus einem mir unbekannten Anlaß die Codebezeichnung Coq Rouge erhalten hat?«
»Um Gottes willen, natürlich! Der indiskreteste Nachrichtenoffizier Nordeuropas, euer James Bond, sozusagen. Wenn du entschuldigst, wer sollte denn nicht von den Leistungen dieses Burschen gehört haben? Ist er immer noch bei euch in der Firma? Wäre es indiskret, es mir zu erzählen?«
»Ja, er ist noch da. Er ist also einer von denen, um die es geht.«
»Du lieber Himmel! Nun ja, dann verstehe ich, daß ihr besorgt seid… wirklich, ziemlich verteufelt«, erwiderte Sir Geoffrey. Das höfliche Desinteresse in seinem Gesicht war wie weggeblasen. »Erzähl weiter, um Himmels willen, erzähl weiter!« sagte er dann eifrig und unterbrach seinen Gedankengang, um sich einen neuen Whisky zu bestellen.
»Also, wenn ich mich kurz fasse und, wenn du mir nachsiehst, nur andeutungsweise die Sache zu erklären, sieht es etwa wie folgt aus«, fuhr der Alte fort, nachdem der Kellner gegangen war. »Derselbe Coq Rouge hat an einer größeren Operation gegen den Feind teilgenommen, die eines der bestgehüteten Geheimnisse Schwedens ist. Das war vor etwa einem Jahr. Die politischen Komplikationen waren abscheulich. Zu Hause wäre fast ein Bürgerkrieg ausgebrochen.«
Der Alte macht eine kurze Pause, nippte an seinem Whisky und fragte sich gleichzeitig, welche Art Dienstvergehen oder Verbrechen er gerade beging.
»Erzähl weiter, alter Freund. Erzähl weiter. Was du mir sagst, läßt manches in einem etwas unerwarteten Licht erscheinen«, feuerte ihn der jetzt höchst interessierte Brite an.
Der Alte stellte langsam sein Glas ab und überlegte, bevor er fortfuhr. »Die Sache ist also die«, begann er zögernd. »Wenn der erwähnte Coq Rouge…«
»Du meinst Hamilton, heißt er nicht so?« unterbrach ihn Sir Geoffrey mit einem fast schadenfrohen Lächeln.
»Wie ich schon sagte«, fuhr der Alte fort, ohne eine leichte Irritation verbergen zu können, »wäre besagter Coq Rouge ein sowjetischer Agent, würde unser gesamter Nachrichtendienst an inneren Krisen zusammenbrechen. Es würde uns Jahre kosten, die Schäden zu reparieren, Personal auszutauschen, Bürokomplexe und was weiß ich. Überdies wäre die Schlußfolgerung zu ziehen, daß der Feind bei uns zu Hause mehr oder weniger alles unter Kontrolle hätte und uns nach Belieben gegen unsere Politiker ausspielen könnte. Es wäre kurz gesagt ein Chaos. Die Schäden für unser Land wären unermeßlich. Unsere größte Niederlage seit Poltawa.«
»Poltawa, sagst du?«
»Ja, weder mehr noch weniger.«
»Tut mir schrecklich leid, das zu hören, alter Knabe.«
»Was sollen diese Albernheiten, Jeff. Hör auf, mich ›alter Knabe‹ zu nennen. Wir Schweden mögen so was nicht. Das läßt uns glauben, daß ihr immer noch alle Tunten seid.«
»Wenn das so ist, Sir, werde ich versuchen, meine Worte besser zu wählen, alter Knabe.«
»Ja, ja. Wir kennen uns jetzt zwanzig
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