Feind des Feindes
Menschen, die er ermordet hatte, waren Palästinenser gewesen. Wenn man eine unbekannte Anzahl ertränkter Russen nicht mitzählte.
Es gab etwa ein halbes Dutzend verschönernde Umschreibungen für Mord im Nachrichtendienstjargon, angefangen bei dem fast poetischen »Spezialist für nasse Jobs« der Russen bis hin zum direkteren »hit man« der Amerikaner.
Er fragte sich, ob es nicht besser wäre, Polizist zu werden, ein richtiger Polizist wie sie, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Jeder Polizeijob würde in seinem Fall auf dem kürzesten Weg zum Affenhaus auf Kungsholmen zurückführen. Er mußte versuchen, sich etwas völlig anderes vorzustellen; vielleicht sollte er sich mehr in die Hochfinanz hineinknien und für seine gestiegenen Gewinne einen Kulturfonds schaffen, jährliche Konzerte aufführen lassen. Vielleicht sollte er auch junge politische Künstler unterstützen, bildende Künstler in erster Linie, da diese meist sehr wenig Geld hatten, solange sie noch politisch waren und noch nicht zu Porträts der Königsfamilie übergegangen waren wie einer seiner früheren Freunde bei der Clarté.
Er kam einfach nicht um die Tatsache herum, daß er viel Geld besaß und daß dieses Geld sich für gute Zwecke verwenden ließ. Vermutlich für bessere, nein, nicht für bessere, aber dauerhaftere Dinge als für die afghanische Befreiungsbewegung, der er vor einem Jahr zwei Millionen Kronen geschenkt hatte. Jetzt zogen sich die Russen zurück, was mit dem Geld natürlich nicht das geringste zu tun hatte, falls überhaupt etwas davon an die richtige Adresse gelangt war. Er versuchte sich ein Leben vorzustellen, bei dem er sein Geld nicht dazu verwendete, daß es sich vermehrte, was offenbar von ganz allein geschah.
Als er seine Haustür in Drakens grand erreichte, mußte er sich an Arbeitern vorbeidrängen, die mit Schubkarren Haufen voller Mörtel und anderen Unrat hinwegfuhren. Jemand hatte in seiner Wohnung mit Bauarbeiten begonnen, ging ihm auf, als er stehenblieb und sich unbewußt an die linke Brustseite griff, um fast nebenbei festzustellen, daß er unbewaffnet war.
Als er gerade mit schnellen Schritten die Treppe hinauflaufen wollte, ging ihm auf, was er getan hatte, und er blieb stehen. Im Erker beim ersten Treppenabsatz standen Blumen im Fenster. Sie sahen aus, als könnten sie Wasser gebrauchen.
Nein, dachte er. Nein, es ist zu Ende, und ein normaler Schwede hat das gesetzliche Recht, unbewaffnet in seine eigene Wohnung zu gehen. Dann setzte er seinen Weg fort, bis er ganz oben wie erwartet feststellen konnte, daß die Bauarbeiter in seiner Wohnung arbeiteten.
Es war Lallerstedt, der das Arbeitskommando befehligte. Er stand mitten auf dem Fußboden und kommandierte, als stünde er auf einer Brücke, wo er eigentlich zu Hause war.
Kapitän Lallerstedt war Carls nächster Vorgesetzter in der Operations und Bearbeitungsabteilung und war wie gewöhnlich hochrot im Gesicht.
Carl stellte die Reisetasche ab und betrachtete ihn verblüfft. Der da ist ein richtiger Marineoffizier, dachte Carl. Und trotzdem steht er hier.
»Gut, daß du kommst, Hamilton!« brüllte Lallerstedt in gewohntem Kommandoton. »Wie du siehst, sind wir dabei aufzuräumen. Wollte selber dabeisein, damit nichts hier eingebaut wird, was nicht hierhergehört, du weißt schon. Wie ist es dir ergangen, mein Junge!«
»So oh la la, nur ein bißchen Schlafmangel«, erwiderte Carl verblüfft.
»Verdammt gut, daß du jetzt auftauchst!« brüllte Lallerstedt weiter, bis ihm der zumindest Carl gegenüber eigenartige Tonfall auffiel und er den Ton änderte.
»Ist da unten bei den Levantinern alles nach Wunsch verlaufen?«
»Ja, das Unternehmen war erfolgreich. Was zum Teufel treibst du hier?« entgegnete Carl, der sich von seiner Verblüffung noch nicht erholt hatte.
»Wiederherstellung einer Offizierswohnung. Was machen wir mit dem Zimmer, in das wir nicht reinkommen?«
»Das kommt darauf an, wer die Bauarbeiter sind.«
»Leute der Streitkräfte.«
»Dann kann ich vielleicht aufmachen. Das zweite Zimmer wird wohl total zerstört sein. Es enthält ja kaum mehr als, na ja, du weißt schon.«
»Ja, die Kartons da hinten, die wir noch nicht aufgemacht haben, sollen ja verschiedene Gegenstände enthalten, oder wie soll man das nennen.«
»Gegenstände?«
»Ja, die vermutlich hinter deiner verschlossenen Tür aufbewahrt wurden. Ach, übrigens, können wir nicht mal reingehen, ich habe das Gefühl, daß du da ein Telefon hast.«
Carl
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