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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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darauf zu erfahren, wie ein Politiker mit einer so schwierigen Lage umging, um die es sich ja offenbar handeln mußte.
    Schließlich drehte sich der Staatssekretär um und stützte sich mit beiden Händen auf das Fensterbrett. Er hatte offenbar zu Ende gedacht und sich entschieden.
    »Erstens«, sagte er entschlossen, »darf um Himmels willen nichts davon an die Öffentlichkeit dringen.«
    »Nein, selbstverständlich nicht. Ich habe auch keine diesbezüglichen Pläne«, entgegnete Carl mit einem anzüglichen Lächeln. Was denkt sich der Kerl? Glaubt er, ich renne zur Redaktion von Expressen ?
    »Und zweitens bleibt diese Angelegenheit unter uns. Ich werde sie nicht an die Regierung weitergeben, und du verschweigst sie dem Generalstab. Können wir uns darauf verständigen?«
    »Selbstverständlich«, log Carl, der dem anderen bei einem solchen Versprechen nicht eine Sekunde glaubte.
    »Und drittens möchte ich gern wissen, womit ihr euch im OP 5 überhaupt befaßt. Du bist doch im letzten Jahr bei dieser Flugzeugentführung dabeigewesen?«
    »Ja, das stimmt. Dieser Russe sollte um jeden Preis nach Schweden gebracht werden. Das waren die Anweisungen, die ich erhalten hatte, und die habe ich befolgt.«
    »Und du hast dabei zwei Entführer getötet und einen dritten gefangengenommen?«
    »Ja, zum Glück.«
    »Ich möchte gern wissen, ob ihr so etwas wie… ob wir uns hier in Schweden so etwas leisten können wie Nachrichtendienstoffiziere, die das Recht haben… die das Recht haben zu töten, licensed to kill?«
    »Ich glaube, kein Nachrichtendienst der Welt kennt eine solche besondere Lizenz. Die Engländer sprechen zwar von einem alten königlichen Vorrecht, das ihnen erlaubt, im Interesse der Nation zu jedem Mittel zu greifen.«
    »Und was für Vorrechte habt ihr?«
    »Gar keine. Das ist ja gerade die Pointe. Wenn eine Operation wie diese gutgeht, habe ich weder von dir noch von anderer Seite je Klagen gehört.«
    »Und wenn die Geschichte nicht gut ausgegangen wäre?«
    »Dann wäre es jedenfalls nicht meine Sorge, Erklärungen zu erfinden und um Entschuldigung zu bitten. Glaubst du etwa, ich hätte zugelassen, daß sie unsere schwedischen Geiseln töten?«
    »Wenn ihr aber glaubt, ihr könnt in der Welt herumfahren und Leute umbringen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir irgendeine politische Katastrophe am Hals haben. Diese Geschichte mit der Flugzeugentführung war schon schwierig genug, wie dir wohl selber klar geworden ist.«
    »Ja, aber die ist ja gut ausgegangen. Und diese Sache ebenfalls. Und nichts spricht dafür, daß wir je wieder in eine solche Lage geraten. Ich möchte vorsichtig darauf hinweisen, daß solche Einsätze nicht gerade Routine sind.«
    »Wie viele Personen beim OP 5 haben deine Fähigkeiten?«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage verstehe.«
    »Laß es mich so ausdrücken. Wie viele Personen wären noch in der Lage gewesen, einen solchen Einsatz durchzuführen?«
    »Zwei.«
    »Zwei?«
    »Ja.«
    »Ohne dich?«
    »Ja, außer mir gibt es noch zwei.«
    »Habt ihr eine besondere Ausbildung erhalten? Und wer hat dies beschlossen?«
    »Ja, wir haben eine besondere Ausbildung. Wer dies beschlossen hat? Das mußt du schon den Generalstab fragen. Ich habe nicht das Recht, solche Informationen weiterzugeben.«
    »Was zum Teufel sagst du da?«
    »Du fragst nach qualifizierter, geheimer militärischer Information. Du wirst den Oberbefehlshaber oder sonst jemanden beim Generalstab fragen müssen.«
    »Das empfinde ich fast als eine Unverschämtheit.«
    »Es ist nicht als Unverschämtheit gemeint. Soviel ich weiß, befinde ich mich nicht mehr im diplomatischen Dienst.«
    Bei diesen Worten zog Carl seinen Diplomatenpaß aus der Gesäßtasche und warf ihn Sorman auf den Schreibtisch.
    Dieser nickte, als hätte er seine Gedanken geprüft und sie für angemessen und klug befunden.
    »Kein Wort nach draußen, alles bleibt unter uns«, sagte er nach einer Weile und streckte Carl die Hand entgegen.
    »Alles bleibt unter uns«, bestätigte Carl, als sie die Hände schüttelten.
    Dann ging er zur Tür, ohne daß der andere ihn begleitete.
    Als er die Treppe hinunterging, fühlte er sich wie ein angestochener Luftballon, aus dem die Luft herausströmt. Jetzt war alles vorbei.
    Sorman hatte aus einem unerfindlichen Grund nicht einmal nach der Identität oder Organisationszugehörigkeit der Entführer gefragt, als hätte das nicht die geringste Bedeutung, und so hatte Carl die Wahrheit nicht zurechtbiegen

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