Feind des Feindes
ihre Dienstzimmer lagen.
»Wie steht es mit deinen Russischkenntnissen?« fragte Samuel Ulfsson munter.
»Ziemlich miserabel. Die fünfhundert bis sechshundert üblichsten militärischen Ausdrücke kenne ich, und wahrscheinlich kann ich auch eine Rote-Bete-Suppe bestellen, ohne mich zu blamieren, aber das meiste habe ich wahrscheinlich vergessen.«
»Macht nichts. Wir haben Intensivkurse, und du hast einen Monat Zeit«, erwiderte Samuel Ulfsson immer noch sehr munter, während er gleichzeitig die Schritte verlangsamte und es damit Carl unmöglich machte zu argumentieren, da er nur Fregattenkapitän war und einen Schritt hinter seinem Vorgesetzten zurückbleiben mußte.
»Aber worum zum Teufel geht es?« beharrte Carl, als sie fast bei dem Codeschloß seines Dienstzimmers angekommen waren.
»Es geht um Sandström. Du wirst die Einzelheiten erfahren, sobald wir in meinem Zimmer sind«, erwiderte Samuel Ulfsson, der sich jetzt sicher war, daß Carl in Gedanken schon nach Moskau unterwegs war.
Samuel Ulfsson glaubte genau zu wissen, welcher Auftrag Carl in Moskau erwartete. Aber er täuschte sich. Er wußte es nicht.
7
Jurij Tschiwartschew hatte die sorgenvollste Woche durchlitten, die er in seiner Zeit als Chef in Schweden je erlebt hatte. Irgendwie war die OPERATION REORGANISATION schiefgegangen, und im schlimmsten Fall war das Elend noch lange nicht zu Ende.
Bei der schwedischen Sicherheitspolizei schien alles zu funktionieren. In der Abteilung, welche die Schweden das Russenbüro nannten, war die eigene Seite schwach vertreten gewesen, weil DER PFAU seiner Pensionierung entgegenging und schon so gut wie abgewickelt war.
Die Voraussetzung der Operation war natürlich, daß die Schweden wie gewohnt gegen sich selbst ermittelten, um dann ein paar kosmetische Änderungen vorzunehmen und ein paar Leute zu versetzen. Alle Schweden und somit auch Beamte der Sicherheitspolizei sind lebenslänglich angestellt. Folglich würde die antisowjetische Tätigkeit vollkommen neuen Personen auferlegt werden, die ihre Meriten in vollkommen anderen Abteilungen erworben hatten, die mit dem sogenannten Russenbüro keinerlei Kontakt gehabt hatten. Und damit bestanden sehr gute Voraussetzungen dafür, daß einer oder mehrere der Informanten des GRU, möglicherweise zu ihrem eigenen großen Erstaunen, in die in Verruf geratene und verdächtige Abteilung versetzt werden würden, deren Chef für den Hauptfeind gearbeitet hatte.
Dies war das wichtigste Ziel der Operation, und hätte Zentral sich mit diesem nicht allzu großen Happen begnügt, wäre wohl alles nach Plan verlaufen.
Doch irgendeiner der Schreibtischstrategen in Moskau hatte es sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er hatte den verrückten Einfall gehabt, gleichzeitig gegen den militärischen Nachrichtendienst Schwedens zuzuschlagen.
Rein theoretisch war die Voraussetzung dafür einfach. Da die Schweden die Informationen aus London schlucken mußten, würden sie auch an die Richtigkeit der Informationen über Hamilton und den Chef des OP 4 glauben müssen.
Und das würde natürlich für ein schauerliches Chaos beim schwedischen Generalstab sorgen. Theoretisch war es glänzende maskirowka.
Der Plan hatte jedoch sowohl politische als auch psychologische Fehler. Es war politisch falsch, alle Fragen nach dem schwedischen Einsatz gegen die Stationen Tschitschagow, Bodisko und Apraksin anzuschneiden.
Wenn man diese Geschichte noch einmal aufrührte, riskierte man Publizität und verschlechterte Auslandsbeziehungen als Konsequenz, was die politische Führung bis aufs Blut reizen würde. Man würde dies sogar als reine Sabotage gegen die Parteilinie betrachten können, als Sabotage von Entspannung und Glasnost und all dem, und derjenige, der die Politik der Sowjetunion sabotierte, könnte sich selbst hinter einer Generalsfunktion beim Nachrichtendienst nicht mehr verstecken, schon gar nicht in diesen Zeiten.
In psychologischer Hinsicht war die Operation ebenfalls schlecht durchdacht. Es war ja nicht wenig verlangt, daß ausgerechnet Hamilton für einen sowjetischen Nachrichtendienstmann gehalten werden sollte. Und sie hatten es offenkundig auch nicht geschluckt.
Ein Bericht der Aeroflot zeigte mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, wie der Alte sich höchstpersönlich auf verschiedene Reisen in die Welt begeben hatte. Er war nach Kalifornien und nach London geflogen, seltsamerweise in der Touristenklasse. Nun, es war nicht
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