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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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müssen.
    Die Sache war klar: Die PLO hatte Schweden einen Dienst erwiesen. Schweden war der PLO etwas schuldig.
    Er fühlte sich kraftlos, als er unten bei den ABAB-Wachen seine leichte Reisetasche in die Hand nahm, beschloß aber trotzdem, nach Hause zu gehen. Möglicherweise mit einem kleinen Umweg, da ihm bei dem Gedanken an sein durchwühltes und zerstörtes Zuhause unwohl wurde.
    Er nahm den Weg am Strömmen entlang und am Außenministerium vorbei, ging in Richtung Riksbron und blieb kurz stehen, um einen Fischer zu beobachten, der am Heck seines grüngestrichenen Ruderboots ein Senknetz im Wasser hatte.
    Als es hochgezogen wurde, lag ein großer, blanker, zappelnder Brachsen auf dem Boden des Senknetzes, und die Zuschauer um Carl herum begannen plötzlich zu applaudieren.
    Carl tat der Fisch leid, der unter Beifall starb, und fragte sich, wer wohl einen toten Brachsen essen wollte. Wie bereitet man den überhaupt zu?
    Er ging über die Riksbron, unter der Überführung hindurch, die die beiden Reichstagsgebäude miteinander verbindet, in denen vermutlich wegen des Sommers und der bevorstehenden Wahl alles geschlossen war, sofern nicht der eine oder andere Skandal den Bürgern noch vor der Wahl zur Kenntnis gelangte oder vertuscht werden sollte. Carl hatte die Entwicklung in der jüngsten Zeit nicht verfolgt, sondern wußte nur so viel, daß sich die Politiker des Landes im Augenblick heftig bekämpften.
    Am Anfang der Vasterlånggatan, in der der Strom von Touristen mit kurzen Hosen dichter wurde, lag ein Tabakladen, vor dem die Aushänge der beiden Abendzeitungen die Nachricht von dem glücklichen Ende des Entführungsdramas hinausschrien. Beide Blätter brachten Fotos der wiedervereinten Familien.
    Carl blieb stehen und betrachtete die Fotos. Er sah die beiden Männer mit ihren Frauen und Kindern. Er hatte sie ja zuvor nicht gesehen, obwohl er sich vor weniger als achtundvierzig Stunden nur einige Meter von ihnen entfernt aufgehalten hatte. Sie sahen wie richtige Familien aus, wie richtige Menschen.
    Er ging in den Laden, kaufte eins der beiden Blätter und ging auf der Vasterlånggatan weiter, aber als er schon halb zu Hause war, setzte er sich vor der Börse neben ein paar Saufbolden mittleren Alters, die nach Pisse rochen, auf eine Parkbank. Dort las er die Zeitung.
    Das ganze Blatt wurde von Berichten über das Entführungsdrama beherrscht. Es stand jedoch nichts drin, was dort nicht hätte stehen dürfen, nur vage Andeutungen von einer geheimen Mission eines sehr erfolgreichen schwedischen Diplomaten, die wahrscheinlich nicht auf das abzielten, was Carl zunächst dachte.
    Dann folgte eine Seite unter der Überschrift KOKAIN- AFFäRE DER SOZIS - Carl hatte sich die bürgerliche Abendzeitung gekauft, da diese die Ansichten der Sicherheitspolizei wiederzugeben pflegte -, aber er verstand den Zusammenhang nicht, als er zu lesen begann; was da behauptet wurde, war völlig durchgedreht. Konnte es sein, daß die Regierung sich persönliche Lieblinge aus dem sozialdemokratischen Adel hielt, die sich handverlesene Leibwächter der Polizei mit unbekannten Qualifikationen leisten durften?
    Carl grübelte kurz darüber nach, was mit unbekannten Qualifikationen gemeint sein konnte, kam jedoch schnell zu dem Schluß, daß es etwas war, was ihn weder interessierte noch anging. Er faltete das Blatt zusammen, stopfte es in einen Papierkorb und setzte seinen Nachhauseweg fort.
    Er verdrängte den Gedanken an das Zuhause, das ihn erwartete, und versuchte statt dessen, über Staatssekretär Peter Sorman nachzugrübeln.
    Einer der wirklich eingeweihten Männer der Regierung, einer der wenigen, die um die Operation Big Red wußten, einer der wichtigsten Politiker hinter der offiziellen Fassade, einer, der sich nie an den Schlammschlachten beteiligte. Und, wie es schien, ein ausgewachsener Zyniker.
    Die Menschen auf den Titelseiten der Abendzeitungen an diesem Tag waren ihm gleichgültig. Ihn interessierte der politische Erfolg. Sorman hatte nicht das geringste gegen Karims Tod einzuwenden, war nur der Meinung, die Aktion in der Öffentlichkeit so darzustellen, als hätte das Außenministerium das Problem gelöst. Vielleicht wird man so nach dreißig Jahren in der Politik oder beim Geheimdienst. Carl versuchte nachzurechnen; er hatte mehr als zehn Jahre beim Geheimdienst verbracht, und diese Zeit hatte seine Persönlichkeit zerfressen und ihn zu einer wandernden Theaterkulisse und zum Mörder gemacht. Fast die Hälfte der

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