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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Zeit, den Neuling zu begrüßen, aber aus eigener bitterer Erfahrung wußte er, wie es war, neu auf ein Schiff zu kommen, ohne ein vertrautes Gesicht, das die ersten Knüffe und Reibungen milderte. Der Junge kam näher und blieb kurz vor dem Schreibtisch stehen.
    Für sein Alter war er groß, schlank, mit dunklen Augen und ebenso schwarzem Haar wie dem Bolithos. Er wirkte wild und ruhelos und erinnerte Bolitho an ein noch nicht eingerittenes Fohlen.
    Wortlos nahm er den dicken Umschlag aus der Hand des Midshipman entgegen und schlitzte ihn auf; vom Hafenadmiral in Plymouth kommend, bestätigte er in dürren Worten die Abkommandierung auf die
Hyperion.
Der Name des Jungen war Adam Pascoe. Bolitho blickte lächelnd auf. »Ein Landsmann aus Cornwall, also.
    Wie alt sind Sie, Mr. Pascoe?«
    »Vierzehn, Sir.« Es klang angespannt und wachsam.
    Bolitho betrachtete ihn. Pascoe hatte etwas Seltsames an sich, aber er vermochte es nicht einzuordnen. Er bemerkte die billige Qualität seiner Uniform, die minderwertige Vergoldung an seinem Dolch.
    Pascoe verriet unter dem prüfenden Blick keine Unsicherheit, sondern griff in seine Innentasche und zog einen weiteren Brief heraus. Schnell sagte er: »Dieser Brief ist für Sie, Sir. Mir wurde gesagt, ich soll ihn niemand anderem geben.«
    Bolitho schlitzte ihn auf und wendete sich etwas ab. Es war durchaus üblich, unter diesen Umständen einen privaten Brief zu erhalten: Ein unerwünschter Sohn wurde zur See geschickt, um bevorzugte Behandlung wurde gebeten oder auch nur die eindringliche Bitte einer besorgten Mutter geäußert, über ihren Sohn zu wachen.
    Das Papier knisterte zwischen seinen Fingern, als er es plötzlich fester packte. Denn der Brief kam von seinem Schwager Lewis Roxby, Grundherr und Friedensrichter in Falmouth und Ehemann von Bolithos jüngerer Schwester. Die ausladende Handschrift schien zu verschwimmen, als er den mittleren Absatz zum zweiten Mal las:
Als der Junge zu mir kam und um meine Unterstützung bat, war es natürlich notwendig, den Wert der Dokumente, die er mitbrachte, zu überprüfen. Es besteht kein Zweifel, daß die Forderungen, die seinethalben gestellt werden, berechtigt sind. Er ist der Sohn Deines verstorbenen Bruders Hugh. Es gibt Briefe von ihm an die Mutter des Jungen, die er anscheinend zu heiraten beabsichtigte, ehe er England verließ. Selbstverständlich hat der Junge seinen Vater nie gesehen und lebte bis vor kurzem bei seiner Mutter, die im Grunde kaum etwas anderes als eine gewöhnliche Hure gewesen ist.
    In dem Brief stand noch sehr viel mehr, doch waren das alles Ausflüchte und Gründe, weshalb Roxby den Jungen unverzüglich von Falmouth fortschaffen wollte.
    Bolitho schluckte schwer. Er konnte sich die peinliche Bestürzung, die das plötzliche Auftauchen des Jungen verursacht haben mußte, gut vorstellen. Zwar mochte er Roxby nicht besonders gut leiden und hatte seine Schwester nie recht verstanden, daß sie sich ihn zum Ehemann gewählt hatte. Roxby liebte ein gutes, üppiges Leben und kannte nichts anderes, als seine Tage mit Schießen und Hetzjagden in Gesellschaft anderer, die er wohl als seinesgleichen ansah, auszufüllen. Der Gedanke, in einen örtlichen Skandal hineingezogen zu werden, war für ihn Grund genug gewesen, diesen Brief zu schreiben und den Jungen stehenden Fußes zur See zu schicken.
    Bolitho drehte sich wieder um und sah den jungen Midshipman an, beweiskräftige Dokumente hatte Roxby geschrieben. Doch ein einziger Blick auf den Jungen hätte genügen müssen. Kein Wunder, daß er ihm merkwürdig erschienen war: Es war, als ob er eine jüngere Ausgabe seiner selbst sehe.
    Pascoe hielt dem Blick mit einer Mischung aus Trotz und Beklemmung stand.
    Bolitho fragte leise: »Was weißt du von deinem Vater, mein Junge?«
    »Er war Offizier und wurde in Amerika von einem durchgehenden Pferd getötet. Mutter hat ihn mir oft beschrieben.« Er zögerte, ehe er hinzufügte: »Al s sie starb, sagte sie, ich solle nach Falmouth gehen und Ihre Familie aufsuchen, Sir. Ich – ich wußte, daß meine Mutter nicht mit ihm verheiratet gewesen war, Sir, habe es immer gewußt, aber…« Er verstummte.
    Bolitho nickte. »Ich verstehe.« So vieles blieb ungesagt: Wie es der Mutter gelungen war, dem Jungen Unterhalt und Kleidung zu beschaffen, ihn vor der Wahrheit zu bewahren, daß sein Vater von der Marine desertiert war und gegen sein eigenes Land gekämpft hatte… Es veranlaßte Bolitho zu sagen: »Wie du wissen mußt, war dein

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