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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Feldzeichen des über alles erhabenen SCHATTENKÖNIGS «, sie verbeugte sich, »oder küsst die
Glut, auf dass Eure rebellischen Lippen verbrennen.«
    Mit einem Schrei löste sich ein Mann aus der Reihe. Er trug eine
Rüstung aus sich überlappenden Platten und hatte ein Ohr verloren, allerdings
schon vor einiger Zeit, denn die Wunde war vernarbt.
    Bevor er Lióla erreichte, rammte ihm ein Gardist einen Speer in den
Bauch. Das Metall des Panzers brach mit lautem Knall. Gurgelnd ging der Mann zu
Boden. Wachsam hielt der Gardist die jetzt dunkel glänzende Spitze seiner Waffe
auf den Gegner gerichtet. Die anderen Gefangenen ballten die Fäuste.
    Interessiert trat Lióla näher und betrachtete den Todeskampf des
Mannes. Offenbar litt er Atemnot, zugleich bereitete ihm jedoch das Luftholen
Pein. Deswegen zögerte er es so lange wie möglich hinaus, um dann wie ein Fisch
im Staub einen tiefen Zug zu nehmen, unmittelbar gefolgt von gequältem Röcheln.
    Lióla blieb stumm, als sie die anderen musterte. Das Schicksal ihres
Kameraden war eine beredtere Ansprache als alles, was sie hätte sagen können.
Wer gegen die Schattenherren aufbegehrte, hatte nur noch Schmerzen vor sich.
Schmerzen und den Tod. Das hatte auch der Barbar lernen müssen, der heute Nacht
die Frechheit besessen hatte, mit einigen Gefährten in den Palast einzudringen.
Die Garde hatte ihn in Stücke gehauen, wie er es verdient hatte. Hätte er
tatsächlich einen Osadro getötet, hätte der SCHATTENKÖNIG sein ganzes Heimatland dafür bezahlen lassen. Leider waren die anderen
Aufrührer entkommen. Dafür hatte der Gardehauptmann mit seiner Haut bezahlt.
Lióla hoffte, dass ihrer Bitte entsprochen würde, sie gerben zu lassen und dann
in der Kathedrale von Karat-Dor auszustellen, auf dass die Zweifler erkannten,
dass die Schatten nichts weniger als bedingungslose Hingabe erwarteten und
Fehler nicht akzeptiert wurden.
    Der tödlich Verwundete hielt erstaunlich lange durch. Er war ein
echter Krieger, auch in seinem letzten Kampf. Sein Röcheln war noch immer nicht
verstummt, als Lióla sich für einen Mann mit rotem Bart entschieden hatte.
»Tretet vor, Namenloser!«, rief sie. »Ihr sollt der Erste sein!«
    Sie hatte gut gewählt. Zwar war das Gesicht des Adligen vom Grimm
entstellt, als er die Geste der Unterwerfung leistete, aber er tat es dennoch.
Nur schade, dass kein Kristall in der Nähe war, um seine Essenz aufzunehmen.
Die Wut, die er auf die Schattenherren richtete, wäre eine gute Brücke gewesen,
wie die weiß aus seiner Faust tretenden Knöchel verrieten.
    Als er die Lippen vom Stoff löste, war ein Teil von dessen
Dunkelheit auch in seine Augen getreten und hatte die darin lodernden Flammen
gelöscht.
    »Ihr habt Euch also entschieden, in den Schatten zu leben, statt im
Licht zu sterben«, stellte Lióla mit einem verächtlichen Blick auf ihn fest.
»So sei es. Kniet nieder und erweist dem Wappen des SCHATTENKÖNIGS Eure Hochachtung.«
    Seine Zähne knirschten, und für einen Moment zweifelte Lióla an ihm.
Neben ihr zog ein Gardist das Kurzschwert. Ein Wort von mir,
und dieser Mann stirbt, dachte Lióla erregt. Sie liebte die Macht, die
ihr die Schatten gaben.
    Der Rotbärtige brach mit scheppernder Rüstung in die Knie.
    »Der Nächste!«, bestimmte Lióla. »Ihr!«
    Schon am festen Schritt des Mannes bemerkte sie, dass sein Wille
ungebrochen war. Tatsächlich maß er die Standarte mit einem trotzigen Blick,
trat dann zur Seite und beugte sich über das Kohlebecken, um sein Gesicht
hineinzudrücken.
    Fasziniert lauschte Lióla auf das Zischen von Haut, Fett und
Fleisch. Solche Hingabe erlebte man selbst im Kult selten. Wie konnte der Mann
so sehr an einem Reich hängen, das dem Untergang geweiht war, oder an Göttern,
deren Schwäche sich in dieser Nacht erneut erwiesen hatte? Worin lag sein
Vorteil? Selbst wenn er die Schattenherren verabscheute, ergab sein Handeln nur
auf einer Ebene Sinn, die Lióla lediglich erahnen konnte.
    Nach drei Herzschlägen stöhnte er, nach vier schrie er, nach sechs
riss er sein verbranntes Gesicht empor. Schade. Sieben wären
schön gewesen. Das hätte den Zacken der Kathedrale entsprochen.
    Die Wangen waren ein Geflecht aus Schwarz auf Rot, das schmorende
Haar schuf eine Krone aus Rauch und das Gesicht war eine einzige heiße Wunde.
    Lióla hielt den Gardisten zurück. Diese Gefangenen hatten schon zu
oft Kameraden auf dem Schlachtfeld sterben sehen, als dass ein Stück Stahl in
der Brust sie noch angemessen

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