Feindberührung - Kriminalroman
kann ich nur sagen, dass mir unendlich leidtut, was mein Mandant Ihnen angetan hat. Was ihn selbst angeht … nun gut.«
Therese hielt die Hand des Anwalts fest, sie hatte das Gefühl, er wolle noch etwas sagen. So war es auch.
» Zumindest ist er voll geständig und hat nichts gegen den Ablauf seiner Festnahme einzuwenden. Das heißt, Sie werden weder als Opfer noch als Polizeibeamtin vor Gericht erscheinen müssen.«
» Ich schätze das, Herr Leptien. Auch wenn …«
» Ja, das ist doch selbstverständlich, Frau Svoboda. Aber, wenn ich das sagen darf, soweit ich es aus den Protokollen ersehen konnte, sind Sie eine mutige Frau. Respekt.«
Therese lächelte.
» Der Polizeipsychologe hätte mich zurzeit gern etwas schwächer. Er meint, das würde mich vor allzu schneller Verdrängung bewahren.«
Draußen pfiff ein eisiger Wind und trieb Regen, der zu Hagel zu werden drohte, gegen die schwarzen Fensterscheiben.
Grewe tippte eine SMS an Stina in die Tastatur. Fuchs schraubte die Flasche auf.
» Famous Grouse. Nicht der beste, aber der meistgetrunkene Schotte«, grinste Fuchs.
» Ich hab ja keine Ahnung von Whisky, aber neulich hab ich so einen Lagerwullen oder so getrunken. War irgendwie geil.« Estanza machte Kennermiene.
» Lagavullin. Islay. Zwölf oder sechzehn?« Drossel.
» Hä?«
» Jahre alt. War ’ne blöde Altherrenangeberei.« Drossel lachte.
» Der wäre für Pappbecher bisschen schade. Den Grouse trinken die einfach als Kurzen zum Pint.« Fuchs fuhr seit Jahren in jedem Urlaub nach Schottland. Deswegen hatte sein Gesicht auch nie eine andere Farbe als Grau oder Rot.
Leptien hielt die Hand über den Becher.
» Sehr nett, aber ich muss noch fahren.«
» Ich auch«, griente Fuchs und goss sich als Letztem großzügig ein. » Wenn ich erwischt werde, weiß ich ja jetzt einen guten Anwalt.«
Leptien quittierte lächelnd.
Grewe legte das Handy zur Seite und hob seinen Whisky.
» Tja. Auf eine seltsame Ermittlung.«
» Slàinte.« Fuchs mit dem traditionellen schottischen Trinkspruch; er sprach es » Slandje-Wah« aus.
Mehrere » Prost!« kleckerten nach, dann tranken alle einen Schluck. Leptien tat nur so.
» Außer Estanza und den Kollegen von der Hundertschaft am ersten Tag hat niemand groß Überstunden geschoben, an den Wochenenden waren wir zu Hause. Und wir wissen nichts. Waren wir faul?« Grewe drehte den Becher auf dem Tisch.
» Man kann nicht immer was erzwingen bloß mit Stunden kloppen. Das weißt du so gut wie ich, Grewe.« Drossel hob seinen Whisky unter die Nase und roch zerstreut daran.
» Wir sind allem nachgegangen, was aufgetaucht ist, und wir haben zwei Männer festgenommen, die mit Rems in Verbindung standen und kriminell sind.« Therese hatte die Augen geschlossen und sprach müde, fast somnambul.
» Und dass die nicht recht zu packen waren, liegt ja in der Natur der Sache.« Drossel massierte sich die Nasenwurzel.
» Entschuldigung, aber ich denke, Sie alle können sich entspannter unterhalten, wenn ich weg bin.« Leptien stand auf. Grewe bedeutete ihm mit einer Geste, noch zu warten.
» Nein, Herr Leptien. Ich möchte noch kurz mit Ihnen sprechen, wenn es geht.«
» Selbstverständlich, Herr Grewe.« Er setzte sich wieder.
Grewe trank noch einen kleinen Schluck.
» Der ist aber okay, finde ich. Auf jeden Fall hilft er mir sehr, die kalten Frikadellen von ›Emses Grillparadies‹ zu vergessen.« Alle lachten. Dann wandte Grewe sich an den Anwalt.
» Wie sehen Sie das Vorhaben der Kollegen? Sie waren ja ziemlich zurückhaltend.«
Leptien gab ein kurzes, freudloses Lachen von sich.
» Was kann ich dem entgegensetzen? Es ist die einzige Chance meines Mandanten, glimpflich davonzukommen. Und Läuterung ist ja durchaus ein wichtiger Gedanke im Strafvollzug.«
» Sie werden ihm zuraten?«
Leptien nickte. Dann sah er Fuchs an.
» Könnte ich doch einen ganz kleinen …?«
Fuchs goss ihm kommentarlos und mit freundlichem Lächeln einen Schuss ein. Leptien hob den Whisky und trank.
» Eigentlich sind Leute wie Schönlein keine Mandanten für mich. Ich bin das Strafverteidigeranhängsel einer großen Kanzlei, die sich mit banalen Zivilrechtssachen befasst. Für den Fall der Fälle sozusagen. Deswegen übernehme ich auch gern Pflichtmandate. Hält mich in Übung, und ich brauche, ehrlich gesagt, nicht viel Geld. Leute wie Schönlein kriegen normalerweise einen teuren Anwalt von ihren Bossen besorgt.«
» Von Carst!«, spuckte Drossel aus.
» Zum Beispiel«,
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