Feindberührung - Kriminalroman
eine dicke Uhr mit Stahlarmband aus dem Ärmel und tat so, als überraschte ihn die angezeigte Zeit.
» Du lieber Himmel, so spät schon? Meinert, mein Schatz. Ich glaube, wir müssen los, wenn wir pünktlich zur Pediküre sein wollen.«
Meinert grinste und schlug die Beine breit übereinander, seine rechte Hand klatschte aufs Knie, und die Finger begannen, in schnellem Rhythmus zu trommeln.
Schönlein legte beide Hände vors Gesicht und rieb langsam in kreisförmigen Bewegungen.
Bandel sah Leptien an. » Sie haben ihm doch die Sachlage erklärt, oder? Was ist denn nun?«
Leptien blieb höflich distanziert. » Nun, Sie können sich vielleicht vorstellen, dass das eine nicht ganz einfache Entscheidung für meinen Mandanten ist, Herr Bandel.«
» Oh, das tut mir leid. Daran hätte ich denken müssen.« Bandel schlug die Hand vor den Mund. » Oder, Meinert, da hätten wir dran denken müssen. Wie unsensibel.«
Bandel beugte sich zu Schönlein vor.
» Entschuldigen Sie bitte, Herr Schönlein. Wer kann denn ahnen, dass ein Berufsverbrecher und Vergewaltiger so ein sensibler Mensch ist?«
Schönlein nahm die Hände vom Gesicht, ließ die Arme einfach nach unten sacken und hing schwer atmend im Stuhl. Er hatte schlagartig Schatten unter den Augen bekommen, ein Schweißfilm überzog die Haut.
» Können Sie meinen Arsch retten?«
Bandel lehnte sich zurück und fingerte eine frische Tüte Lakritz aus dem Anzug. Er riss sie auf und nahm sich ein paar Katzen, die er während des Redens eine nach der anderen in seinem Mund versenkte.
» Wir sind deine Mami und dein Papi, weißt du? Aber nur, wenn du ein braver Bubi bist und quatschst.«
Mit einer ansatzlosen Bewegung knallte Schönlein die Fäuste auf den Tisch und brüllte los.
» Das ist kein verficktes Scheißspiel hier! Die legen mich einfach um! Das kostet Mike bloß ’n paar Scheine auf ’n Konto oder ’n bisschen Stoff! Und dann schlitzt mir irgend so ’n verschissener Türke oder Russe oder Sonstwas den Hals mit ’nem Scheißzahnbürstenstiel auf!! Dann lieg ich in der Kackdusche und verblute, und die pissen auf mich! Und mit pissen meine ich pissen! So ist die Scheiße mit der Scheiße!!«
Er hatte seine Worte abwechselnd mit ausgestrecktem Zeigefinger und auf den Tisch knallender Faust unterstrichen, und sein Oberkörper war vor- und zurückgependelt wie bei Joe Cocker.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und der Wachtmeister erschien in der Tür. » Alles im Lack?«
Bandel drehte sich um und sagte: » Herr Schönlein ist mit dem Essen hier unzufrieden. Ist es wahr, dass Sie kein Rinderfilet servieren?«
Mit einer Blitzartigkeit, die man ihm bei seiner Figur nicht zugetraut hätte, hechtete Schönlein über den Tisch und packte Bandel an der Gurgel. Das Gewicht der beiden Männer und Schönleins Schwung machten es dem Stuhl, auf dem Bandel saß, unmöglich zusammenzuhalten, und er zersprang einfach in seine Bestandteile.
Bandel keuchte, Schönlein brüllte, und Meinert und der Justizwachtmeister stürzten sich auf das Knäuel.
» Aufhören! Sofort aufhören, Schönlein! Widerstand einstellen!«
» Lass los, verdammt noch mal, du Scheißirrer!«
Meinert donnerte seine Fäuste auf Schönleins Kopf, der Justizwachtmeister versuchte, dessen Arme auseinanderzubringen, und Bandel riss an Schönleins Handgelenken, während seine Augen fast aus den Höhlen traten.
Grewe und Leptien waren aufgesprungen und räumten Tisch und Stühle aus dem Weg.
Schönleins Gebrüll war mittlerweile in einen hohen Dauerton übergegangen, und man sah von seinen Augen fast nur noch das Weiße. Er schüttelte Bandels Kopf, bis der es schaffte, ein Knie zwischen Schönleins Beine zu rammen. Einmal, zweimal, dann lockerte sich der Griff um seine Gurgel, und Bandel und der Schließer bekamen Schönleins Hände endlich von Bandels Hals. Kurz darauf hatte der Justizbeamte einen Arm des Rockers nach hinten verdreht, und es gelang ihm, Schönlein von Bandel runter und zu Boden zu zerren.
Dort verdrehte er noch einmal Schönleins Handgelenk um fast hundertachtzig Grad und brachte sein Knie auf den verschwitzten Rücken des Häftlings.
» Halten Sie jetzt verdammt noch mal still, sonst brech ich Ihnen was!«, brüllte der Schließer Schönlein an, und der gab nach ein paar Zuckungen auf.
Bandel wälzte sich mit weit aufgerissenem Mund auf dem Boden. Obwohl niemand mehr seinen Hals zudrückte, schien er nach wie vor keine Luft zu kriegen. Meinert guckte entsetzt, aber
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