Feindberührung - Kriminalroman
die Bundeswehr wirklich lernte, was Krieg ist. Aber es war ein Vorgeschmack gewesen. Eine Erfahrung. Und Grewe hatte diese Erfahrung nicht gemocht.
Damals hatte er geglaubt, seine Mannwerdung hinge an dem Bestehen dieser Ausbildung. Er hatte alles sehr ernst genommen, es unbedingt schaffen wollen. Und es war anfangs auch sehr gutgegangen, er hatte sich weiter und weiter getrieben. Bis zu diesem einen Punkt …
Grewe trank einen großen Schluck Wein und schenkte sich gleich noch mal nach.
Vielleicht war das eigentliche Problem nicht, dass er Rohmann begegnen und sich mit seiner Vergangenheit konfrontieren musste, sondern, dass es verdammt viele Menschen gab, die nichts darüber wussten. Menschen, die ihm wichtig waren. Menschen, mit denen er Tag für Tag arbeitete und die ihm vertrauten. Und deren Vertrauen er vielleicht schon enttäuscht hatte bei dieser Ermittlung. Ohne, dass sie es ahnten.
Er drehte den Ton aus und ließ den Kopf auf die Rückenlehne des Sofas sinken. Schloss die Augen.
» Grewe. Schatz. Aufwachen.«
Stina schüttelte ihn an der Schulter.
» Oh, du bist schon da, Süße. Alles klar? Ich geh schnell mit …«. Oskar, wollte er sagen, aber Stina hielt den Zeigefinger vor den Mund und hob das Telefon in die Höhe.
» Für dich. Dienstlich.«
Er nahm das Telefon.
» Ja, Grewe.« Mein Gott, wie viel Uhr war es eigentlich? Er sah nach. Viertel nach eins.
» Noss mein Name, Kriminaldauerdienst.«
» Didi. Was gibt’s?«
» Ich bin im Bahnhofsviertel. Leider nicht privat, in dem Laden sitzt nämlich eine echt scharfe Ukrainerin mit endlosen Beinen und Monstertitten. Allerdings hat sie zurzeit Handschellen an. Sie hat einer Kollegin mit noch größeren Möpsen eine Wodkaflasche an die Birne gehauen.«
» Tot?«
» Nein, auf dem Weg der Besserung.«
» Was hab ich damit zu tun?«
» Die scharfe Ukrainerin hat der Kollegin auf die Glocke gehauen, weil die angeblich schuld daran ist, dass böse Männer mit Maschinenpistolen ihren Stecher entführt haben.«
Grewe schnaufte.
» Was ist das für eine Räuberpistole?«
» Nix Räuberpistole. Wir haben glaubhafte Zeugenaussagen.«
Grewe griff nach dem Weinglas, bremste sich aber.
» Verehrter Kollege, noch mal: Was zur Hölle hab ich damit zu tun.«
Noss lachte hinterhältig.
» Der Stecher heißt Michael Perschel, und ich stehe in seinem wunderschönen Etablissement Hush-Hush«
Dazu fiel Grewe spontan nichts ein.
Als er mit dem Taxi vor dem » Hush-Hush« ankam, wartete Noss schon am Bürgersteig. Wenigstens hatte der Regen aufgehört. Neben ihm trippelte Luc, der sich sehr über Grewe freute. Er roch ausgiebig an seinen Hosenbeinen.
» Na, da riechst du wohl Oskar?«
Grewe bückte sich, um den nervösen Hund zu streicheln, der sprang schwanzwedelnd auf und ab.
Grün-weißes Absperrband spannte sich auf der gesamten Fassadenlänge des Puffs die Bordsteinkante entlang. Zwei uniformierte Kollegen der Bahnhofswache standen als Posten auf je einer Seite.
Noss zeigte auf die andere Straßenseite.
» Der Dönerladen hat bis drei Uhr geöffnet, den haben wir für die Zeugenvernehmungen und als Aufenthalt.« Noss grinste. » Mit so viel Umsatz hat der heute nicht mehr gerechnet.«
» Wie viele Zeugen?«
» Vier, die das Ganze von der anderen Straßenseite aus beobachtet haben, drei von drinnen«, damit zeigte er auf Perschels Puff, » ein Gast, die blonde Betty aus Tschechien und die scharfe Ivanka aus der Ukraine. Die jammert aber leider die ganze Zeit ihrem Macker nach und schreit, wir sollen endlich was machen. Ach so, und vielleicht noch die Pam mit dem Loch im Kopf, falls die sich an was erinnert.«
» War da so tote Hose?«
Noss lachte: » Na, die Hölle war wohl nicht gerade los heute, aber wer will schon von der Polizei im Puff vernommen werden? Da sind einige stiften gegangen. Auch der einzige männliche Angestellte will sich an gar nichts erinnern, weil er doch auf dem Boden gelegen hat. Unter uns gesagt, ist der aber so retardiert, dass wir sowieso nicht viel Verwertbares von dem gehört hätten.«
Noss schüttelte sich eine Kippe aus der Packung und zündete sie an.
» Wer hat euch gerufen?«
» Notrufzentrale. Irgendjemand hat einen Rettungswagen bestellt, und weil Verdacht auf schwere Körperverletzung bestand, haben die uns gleich Bescheid gegeben.«
Grewe nickte. » Schon jemand von Drossels Leuten da?«
» Martina.«
» Das ist gut. Dann geh ich mal rein und gucke, ja?«
» You’re welcome. Luc!«
Der Terrier
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