Feindberührung - Kriminalroman
das richtige Wort, die richtige Geste finden zu können. Warum gelang das nie? Weil er ein Mann war? War es so simpel? Oder ging er der Geschlechtergeometrie auf den Leim, indem er solche Aufgaben stets Therese überließ, weil sie eine Frau war, weil sie mal Erzieherin gewesen war?
» Ist denn alles gut geregelt für Donnerstag?«, fragte seine Kollegin.
Samantha Rems nickte, wischte die Tränen weg und goss den Kaffee aus der Untertasse zurück in die Tasse.
» Ja, es waren auch schon Leute da. Ein Offizier aus der Brigade mit dem Militärpfarrer, jemand von einem Abgeordnetenbüro. Mein Gott, Lars würde sich totlachen, dass ein Politiker hier war.«
Sie lachte leise und unsicher. Darüber war Grewe erleichtert.
» Kriegt Ihr Mann ein militärisches Begräbnis? Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt.«
» Nein, das geht wohl nicht, wegen der Umstände. Solange nicht klar ist, wer«, sie atmete, » ja, also wer Lars umgebracht hat …«
Grewe und Therese nickten.
» Aber es kommen Kameraden, auch in Uniform«, setzte die Witwe nach, » ich denke, das ist in Lars’ Sinn.«
» Erwarten Sie auch Leute von den Skulls?« Grewe stellte die Frage in beiläufigem Ton. Die Frau reagierte unmittelbar, ihr Gesicht verhärtete sich.
» Ich habe gerade einen von denen am Gartentor abgefrühstückt, kurz bevor Sie gekommen sind.« Sie schnaubte. » Was denken die eigentlich?«
» Haben die sich vorher schon bei Ihnen gerührt?« Therese trank einen Schluck.
» O nein, die wussten genau, was ich von ihnen halte. Und egal, wie fertig Lars war: Das hätte er denen nicht durchgehen lassen.«
» Was wollte der Mann?«
» Ist mir scheißegal. Ich habe den gar nicht zu Wort kommen lassen.«
Grewes Knie berührte unterm Tisch das von Therese, und er beugte sich vor.
» Frau Rems, wir haben einen der Skulls verhaftet. Am Freitag schon.«
Samantha Rems starrte Grewe an, ihr Atem beschleunigte sich.
» Warum sagen Sie mir das jetzt erst? Ich habe doch wohl ein Recht …«
Grewe hob die Hand.
» Frau Rems, er sitzt nicht wegen des Mordes an Ihrem Mann.«
» Ja, aber was …?«
» Im Zuge der Ermittlungen ergab sich ein konkreter Tatverdacht in einer anderen Sache, und das war auch der Anlass für die Festnahme. Aber es gibt gute Gründe, darunter auch Ihre eigenen Einlassungen, die uns vermuten lassen, dass die Ursache für den Mord an Ihrem Mann in der Verbindung zu den Skulls zu suchen ist.«
Grewe war immer wieder erstaunt, wie sehr der Umgang mit Juristen über die Jahre seinen eigenen Wortschatz geprägt hatte.
» Aber wir wissen zu wenig über diese Verbindung. Zurzeit sitzt noch ein weiteres Skulls-Mitglied in U-Haft, auch wegen eines anderen Vergehens, aber die Vernehmungen der beiden gestalten sich nicht sehr flüssig, wie Sie sich denken können.«
Samantha Rems hatte die Augen geschlossen.
» Ich muss jetzt erst mal eine rauchen.«
Samantha Rems und Therese standen auf der kleinen Terrasse und schauten auf das Klettergerüst aus groben Holzbalken.
Therese war ihr nach draußen gefolgt und hatte ihr eine über dem Stuhl hängende Strickjacke gebracht.
Samantha Rems drehte sich gerade eine zweite Zigarette.
» Das ist ein tolles Gerüst.«
» Ja. In so was war Lars groß. Er hat es mit einem Kumpel gebaut, der ist Zimmermann.«
Sie fischte ihr Zippo aus der Hosentasche und zündete die Zigarette an. Der Rauch stob in die klare, kalte Luft.
» Falsch. Der war Zimmermann. Jetzt ist er tot, dazwischen war er Soldat.« Sie lachte bitter.
» Afghanistan?«
» Ja.« Sie schnippte Asche ab. » Hat sich im Feldlager erschossen, weil ihn seine Freundin während dem Einsatz verlassen hat. Lars hat ihn gefunden.«
Therese schüttelte den Kopf.
» Ich habe zum ersten Mal mit Soldaten zu tun. Ich weiß gar nicht … Man macht sich da wohl falsche Vorstellungen.«
» Ich glaube, die meisten machen sich überhaupt keine Vorstellungen. Dabei sind allein in der Körner-Kaserne über tausend Leute. Mitten in der Stadt.«
Sie schauten eine Weile stumm in den Garten, diese Zigarette neigte sich auch dem Ende zu, und Therese musste jetzt zum Punkt kommen. Nach drinnen zu wechseln, würde es vielleicht wieder schwieriger machen.
» Frau Rems, wir müssen so viel wie möglich über die Verbindungen Ihres Mannes zu den Skulls wissen. Sonst kommen wir dem Verdächtigen nicht bei. Die reden nicht mit uns.«
Dass Schönlein zu reden bereit war, durfte auf keinen Fall nach außen dringen, und es würde ja auch
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