Feindberührung - Kriminalroman
mehr nach Daumendrücken als nach Faust aussah.
» Ist schon eine ganze Weile her.«
» Sie wissen doch, es gibt keine ehemaligen Fallschirmjäger. Man gehört sein Leben lang dazu.«
Für einen Moment gelang es dem Oberst tatsächlich auszusehen wie ein väterlich-strenger US-Offizier aus einem patriotischen Hollywoodfilm, und Grewe spürte, dass sein Herz einen kleinen Hüpfer machte. Doch da waren auch Erinnerungen, die er lange in sich eingeschlossen hatte. Erinnerungen an eine Reihe guter Gründe, warum Grewe seinerzeit beschlossen hatte, nie wieder in seinem Leben Fallschirmjäger zu sein.
» Na ja, aus einem Flugzeug möchte ich heute nicht mehr springen müssen«, lächelte er halbherzig.
» Zeigen Sie mir einen Mann, der aus einem Flugzeug springt, dann zeige ich Ihnen einen Mann, der kämpft.« Oberst Pagels hatte den Zeigefinger erhoben. » General James Gavin hat das im Zweiten Weltkrieg gesagt, einer der ersten Offiziere, die die taktische Bedeutung von Luftlandetruppen erkannten.«
Grewe wusste nichts darauf zu antworten. Er zog die Schultern hoch und nickte ein paarmal.
Im Hintergrund stieg ein Soldat nach dem anderen aus dem Bus, alle in Ausgehuniform mit schwarzen Binden am linken Arm. Es waren alle Typen dabei: schmale, verunsichert schauende Gefreite, deren Pickel auf der weichen Haut das Einzige waren, das, zumindest farblich, zu den niegelnagelneuen bordeauxroten Baretten passte. Kantige Haupt- oder Stabsgefreite und Unteroffiziere mit finsteren Mienen, scharf ausrasierten, schmalen Bärten; ihre Barette waren sorgsam geformt, saßen wie Helme auf meist kahlen Schädeln, das dunkle Rot war ausgebleicht von Sonne und Wind der Einsatzländer. Der stürzende Adler glänzte silbern. Sie trugen meist zwei Springerabzeichen, das deutsche und noch ein ausländisches.
Dann die Feldwebel, deren Gesichter abgeklärter wirkten; ohne Uniform machten sie sicher einen ganz zivilen Eindruck. Aber die Abzeichen auf ihren Jacken erzählten mehr über sie. Die meisten waren Einzelkämpfer oder » Rifle experts«, trugen » Expert Infantry Badges« und hatten zwei Reihen Ordensbänder, mehr war für einen deutschen Soldaten nicht drin.
Schon zu Grewes Zeiten ging der Spruch um, dass die Amis bereits für die unfallfreie Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung eine Auszeichnung bekamen. Da war die Heldenbrust nach nur zehn Dienstjahren einfach voll.
Zum Schluss kam ein schon leicht ergrauter Hauptmann, Grewe dachte noch, der ist aber alt für den Dienstgrad, da fiel ihm ein, dass der Mann vermutlich ein früherer Feldwebel war, der den Sprung in die Offizierslaufbahn geschafft hatte.
» Ich nehme an, wir sehen uns noch mal, Herr … Kommissar? Ist das die richtige Bezeichnung?«
Grewe schaute Pagels an.
» Kriminalhauptkommissar, Herr Oberst, aber das sagt kein Mensch. Ja, ich könnte mir vorstellen, dass wir in den nächsten Tagen noch mal in die Kaserne kommen werden. Ich rufe Sie an wegen eines Termins, Sie sind ja sicher nicht immer da, denke ich?«
» Ach, zurzeit bin ich eher selten unterwegs, weil unser Kommandeur noch für drei Monate in Afghanistan im Einsatz ist, im Joint Command. Da bin ich vor Ort gefragt. Die Familie dankt es.«
» Ja, das kann ich mir vorstellen.« Kaum sagte ein Mann das Wort Familie mit wenigstens rudimentärer Zärtlichkeit, war Grewe für ihn eingenommen, gleich, wie viel Blödsinn er vorher von sich gegeben hatte.
» Tja, dann gehen wir es mal an, was, Major?«
» Sicher, Herr Oberst.«
Die beiden Offiziere gaben Grewe kurz die Hand und schwenkten dann in Richtung ihrer Truppe.
Die hatte sich mittlerweile ganz selbstverständlich im Halbkreis um den grauen Hauptmann geschart. Er strahlte eine natürliche Autorität aus. Sein Gesicht war scharf geschnitten, das Kinn geradezu viereckig, der Körperbau gedrungen und sehr athletisch. Die Muskeln schienen die Uniform zum Zerreißen zu spannen. Man konnte sich den Mann nicht beim friedlichen Gewichtheben vorstellen, sondern nur bei eisenhartem Kampftraining. Er war austrainiert, weil er Soldat war, nicht wegen der Gesundheit oder dem Aussehen.
Ein VW-Bus rollte auf den Parkplatz, das riss Grewe aus seinen Überlegungen.
Aus dem Wagen stieg Samantha Rems, in schwarzen Jeans, schwarzen Cowboystiefeln und schwarzem Mantel. Den Kajal hatte sie sich offensichtlich schon auf dem Weg hierher größtenteils weggeweint, die Reste tupfte sie sich eben mit einem Taschentuch weg. An ihrer Hand ging ein vielleicht
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