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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihrer Umhänge, die sie vorsichtshalber mitgebracht hatten. Zwar war es ein milder Abend, doch würde der Aufbruch erst nach Mitternacht erfolgen, und dann war es kühl.
    Emily sah außer mehreren guten Bekannten die Ehefrauen einiger Politiker, mit denen sich gut zu stellen ratsam war. Auch war die eine oder andere da, die sie wirklich gut leiden konnte. Jack, das wusste sie, hatte an diesem Abend Pflichten, denen er sich nicht entziehen durfte – sie waren nicht ausschließlich zu ihrem Vergnügen gekommen.
    Mit charmantem Lächeln hörte sie den anderen aufmerksam zu, machte wohlüberlegte Komplimente und tauschte ein wenig unverfänglichen Klatsch aus.
    Erst zwei Stunden später, als die musikalische Unterhaltung bereits begonnen hatte – die Sängerin war eine der reizlosesten Frauen, die Emily je gesehen hatte, doch besaß sie die Stimme einer wahren Operndiva, die mühelos in die größten Höhen reichte –, entdeckte sie Rose Serracold. Vermutlich war Rose gerade erst eingetroffen, denn sie war so auffällig gekleidet, dass man sie unmöglich hätte übersehen können. Ihr zinnoberrotes Kleid mit schwarzen Streifen war an den Ärmeln und am Busen mit schwarzer Spitze reich besetzt, was ihre schlanke Figur mit den schmalen Hüften betonte. An Busen, Schulter und Rock trug sie je eine zinnoberrote Blume. Steif aufgerichtet saß sie am äußersten Rand einer Stuhlreihe, wo das Licht des Kandelabers auf ihrem hellen Haar schimmerte wie die Sonne auf einem Getreidefeld. Emily hielt Ausschau nach Aubrey, doch er saß weder neben noch hinter ihr.
    So sehr schlug die Sängerin die Anwesenden mit ihrer Stimme in ihren Bann, dass niemand auf den Gedanken gekommen wäre, während ihres Vortrags zu sprechen. Doch gleich, als sie geendet hatte, stand Emily auf und ging zu Rose hinüber. Es hatte sich bereits eine kleine Gruppe um sie herum gebildet, und bevor die anderen ein wenig zur Seite traten, um sie in den Kreis einzulassen, hörte sie, was gesagt wurde. Obwohl kein Name gefallen war, war ihr sogleich klar, worum es ging, und ihr Herz sank.
    »Ich muss zugeben, dass er sehr viel ausgefuchster ist, als ich dachte«, sagte eine Frau in einem goldfarbenen Kleid bedauernd. »Ich fürchte, wir haben ihn unterschätzt.«
    »Ich glaube, Sie überschätzen seine moralischen Grundsätze«, sagte Rose scharf. »Vielleicht lag da unser Fehler.«
    Emily öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber eine andere kam ihr zuvor.
    »Immerhin muss er etwas Bemerkenswertes geleistet haben, sonst hätte ihn die Königin nicht in den Adelsstand erhoben. Es wäre besser gewesen, das in unsere Erwägungen einzubeziehen. Es tut mir schrecklich Leid, meine Liebe.«
    Rose fühlte sich zu einer heftigen Erwiderung veranlasst, möglicherweise wegen der Herablassung, mit der die Frau das sagte. »Ich bin sogar sicher, dass er etwas Besonderes geleistet hat!«, gab sie heftig zurück. »Wahrscheinlich ging es dabei um mehrere tausend Pfund – und seine Leistung bestand darin, das zu einer Zeit einzufädeln, als es noch einen Tory-Premierminister gab, der ihn empfehlen konnte.«
    Emily erstarrte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und der Raum schien um sie herum zu verschwimmen. Die Kerzen auf den Kronleuchtern vervielfachten sich vor ihren Augen, als müsse sie im nächsten Augenblick in Ohnmacht fallen. Es war allgemein bekannt, dass vermögende Männer teils in den persönlichen, teils sogar in den erblichen Adelsstand erhoben worden waren, weil sie einer der beiden großen politischen Parteien erhebliche Mittel hatten zukommen lassen. Obwohl jeder wusste, dass sich die eine wie die andere auf diese unschöne und skandalöse Weise finanzierte, galt es als unentschuldbar, offen darüber zu sprechen, dass jemand auf diese Art zu seinem Adelstitel gekommen war. Ganz davon abgesehen konnte es höchst gefährlich für jeden werden, der nicht bereit und in der Lage war, den Beweis für eine solche Behauptung anzutreten. Emily begriff, dass Rose wild um sich schlug, weil sie fürchtete, Aubrey werde die Wahl verlieren. Sie glaubte nicht nur leidenschaftlich an ihn, weil sie ihn liebte, und wünschte ihm den Erfolg nicht nur, weil er sein Herz daran gehängt hatte, sondern auch, weil ihr klar war, wie viel Gutes er in einer solchen Stellung bewirken konnte.
    Es mochte auch sein, dass sie sich vor dem Schuldgefühl fürchtete, das sie verzehren würde, falls er verlor, denn dann würde sie auf jeden Fall einen Teil der Schuld bei sich suchen. Ganz

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