Feinde der Krone
eine endlose Kette von Schuldgefühlen und Schmerz. Sah sie denn nicht, was sie da anrichtete?
»Alle Politiker haben den Hang, das zu sagen, wovon sie glauben, dass sie damit eine Wahl gewinnen können«, sagte
Emily ein wenig zu laut. »Es ist eben sehr verlockend, auf die Bedürfnisse einer Menschenmenge einzugehen und Dinge zu sagen, die den Leuten gefallen.«
Roses Augen glänzten böse. Offenbar war sie überzeugt, Emily greife sie in voller Absicht an und verrate damit ihre Freundschaft ein weiteres Mal. »Nicht nur Politiker sind der Versuchung erlegen, sich wie eine Schmierenkomödiantin in Szene zu setzen und dem Affen Zucker zu geben!«, gab sie zurück.
Emily verlor die Beherrschung. »Ach ja? Sagst du mir auch, worauf du mit deinem Vergleich hinaus willst? Vermutlich weißt du mehr über Schmierenkomödiantinnen als ich.«
Eine der Damen kicherte nervös, dann eine weitere. Andere sahen ausgesprochen unbehaglich drein. An diesem Punkt des Streits wollten sie lieber nicht länger zusehen und suchten einen Vorwand, sich zu einer anderen Gruppe zu gesellen. Unverständliche Entschuldigungen murmelnd, ging eine nach der anderen davon.
Emily fasste Rose am Arm, wobei sie spürte, wie sich diese ihr widersetzte. »Was zum Teufel ist nur in dich gefahren«, zischte sie. »Bist du verrückt geworden?«
Der letzte Rest von Farbe wich aus Roses Gesicht, als wäre alles Blut daraus verschwunden.
Emily ließ Roses Arm nicht los, damit sie nicht zu Boden sank. »Komm, setz dich«, gebot sie rasch. »Hier, bevor du ohnmächtig wirst.« Sie zog sie die wenigen Schritte bis zum nächsten Stuhl und drückte sie trotz ihres Widerstandes nieder, bis ihr Kopf fast auf den Knien lag. Dabei stellte sie sich so vor sie, dass ihr Körper sie vor neugierigen Blicken abschirmte. Gern hätte sie ihr etwas zu trinken geholt, wagte aber nicht, sie zu verlassen.
Rose blieb regungslos sitzen.
Emily wartete.
Niemand trat zu ihnen.
»Du kannst nicht den ganzen Abend so sitzen bleiben«, sagte Emily schließlich sehr freundlich. »Ich kann dir nur helfen, wenn ich weiß, was dir fehlt. Die Situation lässt sich nicht mit Zornesausbrüchen, sondern ausschließlich mit Vernunft bewältigen.
Warum verhält sich Aubrey so unklug? Hat es mit dir zu tun?«
Rose fuhr wütend hoch. Auf ihren Wangen zeichneten sich zwei leuchtend rote Flecken ab. Ihre Augen glänzten wie blaues Glas. »Aubrey ist kein Dummkopf«, sagte sie ganz ruhig, aber mit einem Nachdruck, der Emily verblüffte.
»Das weiß ich selbst«, sagte sie etwas besänftigter. »Aber er führt sich wie einer auf, und du erst recht. Habt ihr eine Vorstellung davon, wie abstoßend es wirkt, Voisey auf diese Weise anzugreifen? Nicht einmal dann, wenn alles der Wahrheit entspräche, was ihr gegen ihn vorbringt, und du imstande wärest, es zu beweisen, was du aber nicht kannst, würde euch das auch nur eine Stimme mehr einbringen. Die Menschen schätzen es nicht, wenn man ihre Helden vom Sockel stürzt oder ihre Träume zerstört. Zwar hassen sie jeden, der sie täuscht, aber ebenso sehr hassen sie diejenigen, die ihnen zeigen, dass man sie getäuscht hat. Wenn sie jemanden für einen Helden halten wollen, werden sie das tun – und dann wirkt alles, was du sagst, verzweifelt und tückisch. Dabei ist es völlig unerheblich, ob du Recht hast oder nicht.«
»Das ist ungeheuerlich!«, begehrte Rose auf.
»Natürlich ist es das«, stimmte ihr Emily zu. »Aber es ist ausgesprochen unvernünftig, das Spiel nach den Regeln zu spielen, die du gern hättest. In einem solchen Fall wirst du automatisch jedes Mal verlieren. Du musst nach den allgemein üblichen Regeln spielen … oder von mir aus gern nach besseren, aber nie nach schlechteren.«
Rose sagte nichts darauf.
Emily stellte ihr noch einmal die entscheidende Frage, weil sie nach wie vor annahm, dass sich alles um sie drehte – die Frage, die ihrer festen Überzeugung nach im Mittelpunkt der ganzen verfahrenen Geschichte stand. »Was wolltest du bei dieser Spiritistin? Sag mir bloß nicht, du wolltest nur Verbindung mit deiner Mutter aufnehmen, um dich mit ihr zu unterhalten. Zu einer so kritischen Zeit würdest du das nie tun und Aubrey auch nicht darüber täuschen. Man sieht förmlich, dass du unter deinen Schuldgefühlen fast zusammenbrichst, und trotzdem machst du weiter. Warum nur, Rose? Was willst du
aus der Vergangenheit erfahren, wofür du einen so hohen Preis zu zahlen bereit bist?«
»Das hat mit dir nichts zu
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