Feinde der Krone
tun!«, sagte Rose kläglich.
»Aber selbstverständlich hat es das«, widersprach ihr Emily. »Es wird sich auf Aubrey auswirken, ach was, das hat es bereits getan. Damit aber wirkt es sich auch auf Jack aus, falls Ihr erwartet, dass er versucht, ihn bei der Wahl zu unterstützen und ihm zur Hand zu gehen. Es würde ziemlich demonstrativ aussehen, wenn er sich jetzt zurückzöge, findest du nicht auch?«
Einen Augenblick lang sah es aus, als wollte Rose etwas dagegen sagen. Ihre Augen blitzten empört, doch sie schwieg, als kämen ihr die Worte im selben Augenblick sinnlos vor, in dem sie darüber nachdachte.
Emily zog einen zweiten Stuhl herbei und setzte sich ihr gegenüber. Nachdem sie ihre Röcke geordnet hatte, beugte sie sich ein wenig vor. »Hat dich das Medium erpresst, weil du die Séancen besucht hast?« Sie sah, wie Rose zusammenzuckte. »Oder wegen etwas, was du von deiner Mutter erfahren hast?«, setzte sie nach.
»Nein!« Zwar war das keine Lüge, aber Emily merkte, dass es auch nicht die ganze Wahrheit war.
»Rose, lauf doch nicht vor allem davon!«, bat sie. »Die Frau ist ermordet worden. Irgendjemand hat sie so sehr gehasst, dass er sie umgebracht hat. Das war mit Sicherheit kein Verrückter, der zufällig von der Straße hereingekommen ist, sondern jemand, der an jenem Abend bei der Sitzung anwesend war. Das ist dir wohl auch selbst klar!« Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: »Warst du es? Hat sie dir mit etwas so Entsetzlichem gedroht, dass du dageblieben bist, nachdem die anderen gegangen waren, und ihr das Zeug in den Rachen gestopft hast? Wolltest du Aubrey damit schützen?«
Rose wirkte aschfahl, ihre Augen waren nahezu schwarz. »Nein!«
»Warum dann? Irgendetwas in deiner Familie?«
»Ich hab sie nicht umgebracht! Gott im Himmel, ich schwöre dir, dass es mir lieb wäre, wenn sie noch lebte!«
»Warum? Was hat sie für dich getan, was dir so wichtig ist?«
Sie glaubte Rose kein Wort, wollte sie dahin treiben, dass sie endlich die Wahrheit sagte. »Hat sie dir Geheimnisse über die anderen verraten? Ging es um Macht?«
Rose war entsetzt. Auf ihrem gequälten Gesicht lagen Wut und Scham. »Emily, wie kannst du so etwas von mir denken? Du bist abscheulich!«
»Tatsächlich?«, fragte sie herausfordernd, immer noch auf der Suche nach der Wahrheit.
»Ich habe nichts getan, was jemandem geschadet hat …« Sie senkte die Augen. »Außer Aubrey.«
»Und hast du den Mut, dich dem zu stellen?« Emily war nicht bereit aufzugeben. Als sie sah, dass Rose zitterte und kurz vor dem Zusammenbruch stand, nahm sie ihre Hände, nach wie vor darauf bedacht, sie vor den Blicken der anderen Gäste zu schützen, die eifrig miteinander redeten, klatschten, flirteten, Bündnisse schlossen und brachen. »Was wolltest du so dringend wissen?«
»Ob mein Vater möglicherweise nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, als er starb«, flüsterte Rose. »Mitunter tue ich unbedachte Dinge, und gerade vorhin hast du mich noch gefragt, ob ich verrückt geworden wäre. Bin ich das? Werde ich eines Tages den Verstand verlieren und völlig allein in irgendeinem Irrenhaus sterben?« Ihre Stimme brach. »Wird sich Aubrey den Rest seines Lebens darüber Sorgen machen müssen, was ich tun werde? Werde ich ihm zur Last, jemand, den er fortwährend im Auge behalten, für den er sich überall entschuldigen und von dem er immer wieder fürchten muss, dass er etwas Entsetzliches sagt oder tut?« Sie schluckte. »Er würde mich nicht einsperren lassen, so ist er nicht. Er gehört nicht zu den Menschen, die sich dadurch selbst retten, dass sie anderen wehtun. Er würde warten, bis ich ihn vollständig zugrunde gerichtet hätte, und diese Vorstellung ist mir unerträglich!«
Emily war so von Mitgefühl durchdrungen, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie hatte das Bedürfnis, Rose fest in die Arme zu schließen und ihr auf diese Weise Wärme und Trost zu spenden – das aber war nicht möglich. In diesem Raum voller Menschen würde sie damit das Aufsehen aller auf
sich lenken, und alle würden sie begaffen. Da sie der Freundin nichts als Worte anbieten konnte, mussten es unbedingt die richtigen sein.
»Du handelst aus Furcht so unbedacht, nicht aus erblichem Wahnsinn. Was du getan hast, ist nicht törichter, als was wir alle gelegentlich tun. Wenn du in Erfahrung bringen möchtest, woran dein Vater gestorben ist, muss es doch Möglichkeiten geben, den Arzt zu fragen, der bei ihm war.«
»Dann wüssten
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