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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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als wären die Generäle Dummköpfe«, fuhr Jack mit einer Stimme fort, der anzuhören war, dass er nicht recht wusste, wie man der Situation beikommen konnte. »Wir hatten weiß Gott genug, bei denen das stimmte, aber einen Schlachtplan auszuarbeiten ist schwieriger, als man glaubt. Man muss mit der Gerissenheit des Feindes und mit Wetterumschlägen rechnen, unter Umständen entspricht die Ausrüstung nicht den Anforderungen, oder der Nachschub ist unterbrochen. Manchmal hat man auch einfach Pech. Napoleon hat bei seinen Offizieren weniger darauf geachtet, wie klug sie waren, als darauf, ob sie Glück hatten!«
    »Und Wellington?«, hielt sie dagegen.
    »Keine Ahnung«, gab er zu und stand auf. »Aber Aubrey hätte er bestimmt nicht haben wollen, denn was der tut, ist weder unanständig noch unbedingt schlechte Politik, aber gegen einen Mann wie Charles Voisey taktisch denkbar ungeschickt.«
     
    Am frühen Nachmittag begleitete Emily ihren Mann nach Kennington, wo er sich Voiseys Ansprache vor einer großen
Menschenmenge anhören wollte. Der Park war voller Menschen, die in der heißen Sonne spazieren gingen, Eiscreme, Pfefferminzstangen und kandierte Äpfel aßen oder Limonade tranken. Sie hörten zu, weil sie sich ein wenig Unterhaltung erhofften und sich darauf freuten, dass Zwischenrufer den Redner vielleicht aus dem Konzept bringen würden. Anfangs achtete niemand sonderlich auf das, was Voisey zu sagen hatte. Ihm zuzuhören war eine angenehme Möglichkeit, eine Nachmittagsstunde herumzubringen, und auf jeden Fall interessanter als die halbherzige Runde Cricket, die zwei Dutzend Jungen am anderen Ende des Parks spielten. Sofern der Mann ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte, würde er etwas sagen müssen, was sie amüsierte, und falls ihm das nicht bereits klar war, würde er das bald merken.
    Selbstverständlich besaßen nur wenige der Zuhörer das Wahlrecht, aber da es um die Zukunft aller ging, drängten sie sich um das Musikpodium, auf das Voisey betont selbstsicher gestiegen war und von wo aus er seine Rede hielt.
    Emily stand in der Sonne; ein Hut beschattete ihr Gesicht. Sie sah zuerst auf die Menge, dann zu Voisey und warf schließlich einen Seitenblick auf Jack. Sie hörte dem Redner nicht wirklich zu. Sie hatte mitbekommen, dass es um Patriotismus und Nationalstolz ging und er beide Tugenden ganz allgemein pries, wobei es ihm auf feinfühlige Weise gelang, den Zuhörern den Eindruck zu vermitteln, sie hätten einen Anteil am Zustandekommen des britischen Weltreichs, das er allerdings nie mit Namen nannte. Sie sah, wie sich die Menschen ein wenig aufrichteten, unbewusst lächelten, die Schultern strafften und das Kinn leicht hoben. Er tat so, als gehörten sie dazu, als seien sie am Sieg beteiligt, Mitglieder der Elite.
    Sie sah, wie Jack die Lippen zusammenkniff. Sein Gesicht war vor Widerwillen verzogen, doch zugleich lag darauf ein Ausdruck von Bewunderung, die er trotz aller Mühe nicht unterdrücken konnte.
    Voisey fuhr fort. Er nannte Serracolds Namen nicht ein einziges Mal, als gäbe es einen solchen Menschen überhaupt nicht. Er stellte die Leute nicht vor die Wahl: stimmt für mich oder für den anderen Kandidaten, wählt Tory oder Liberal. Er
sprach so zu ihnen, als wäre die Entscheidung bereits gefallen. Sie waren eines Sinnes, weil sie ein und demselben Volk angehörten und das gleiche Schicksal sie einte.
    Natürlich ließen sich nicht alle davon einlullen. Auf manchen Gesichtern erkannte sie Widerspruch und störrisches Aufbegehren, Zorn oder Gleichgültigkeit. Aber alle brauchte Voisey auch nicht, nur genug, um zusammen mit denen, die ohnehin für die Tories stimmen würden, die Mehrheit zu gewinnen.
    »Er schafft es, nicht wahr?«, fragte sie Jack leise und versuchte die Antwort aus seinem Gesichtsausdruck zu lesen. Er war empört, hilflos und enttäuscht. Zugleich war ihm schmerzlich bewusst, dass es nichts nutzen würde, wenn er sich zu Wort meldete, um Aubrey Serracold zu verteidigen, wie er das gern getan hätte. Damit hätte er zwar Freundestreue bewiesen, zugleich aber auch seinen eigenen Unterhaussitz gefährdet. Nichts mehr war so sicher, wie er noch vor einer Woche angenommen hatte.
    Sie sah ihn aufmerksam an, während Voisey fortfuhr und die Menge zuhörte. Jetzt hatte er sie auf seine Seite gezogen, doch wusste Emily, wie unbeständig die Gunst der Menge ist. Wer den Menschen nach dem Mund redet, ihnen mögliche Vorteile vor Augen führt, sie zum Lachen bringt und

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