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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihnen zeigt, dass man an dieselben Dinge glaubt wie sie, hat sie auf seiner Seite. Aber der leiseste Hauch von Furcht, eine unbeabsichtigte Kränkung, selbst Langeweile genügt schon, und sie wenden sich wieder ab.
    Was würde Jack tun?
    Einerseits hätte sie es gern gesehen, wenn er den Beweis für seine Freundschaft geliefert und klargestellt hätte, dass dieser Mann Aubrey nicht gerecht wurde, indem er die Situation so geschickt für sich ausnutzte. Mit seinem Leserbrief hatte Aubrey Voisey geradezu in die Hand gespielt – warum musste er auch so töricht sein? Mutlosigkeit erfasste sie, als ihr die Antwort klar wurde: weil er nicht nur ein Idealist war, sondern auch naiv. Er war ein guter Mensch und meinte es ehrlich mit seinem Traum, aber noch war er kein Politiker, und die Umstände würden ihm wohl auch keine Gelegenheit
geben, einer zu werden. Proben gab es auf dieser Bühne nicht, nur die Wirklichkeit der Aufführung.
    Erneut sah sie zu Jack hin und erkannte, dass er nach wie vor unentschlossen war. Sie sagte nichts. Noch war sie nicht bereit für seine Antwort, ganz gleich, wie die aussah. Zwar hatte er Recht mit seiner Aussage, dass mancher Preis für die Macht zu hoch war, doch ganz ohne Macht ließ sich nur wenig erreichen, möglicherweise gar nichts. Zum Wesen des Kampfes, für welchen Grundsatz, welchen Sieg auch immer, gehörte es, dass dafür ein gewisser Aufwand getrieben werden musste. Wer sich aus der Auseinandersetzung zurückzog, weil sie ihn schmerzte, musste hinnehmen, dass der Sieg einem anderen zufiel, jemandem wie Voisey. Und was war der Preis dafür? Falls nicht gute Menschen zum Schwert griffen, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne, fiel der Sieg dem anderen zu, der das tat. Es war so schwer, sich richtig zu entscheiden.
    Sie trat einen Schritt näher zu Jack und hängte sich bei ihm ein. Er wandte sich ihr zu, aber sie blickte ihm nicht in die Augen.
     
    An jenem Abend fand ein Empfang statt, von dem sich Emily ursprünglich ein gewisses Vergnügen erhofft hatte. Bei einer solchen Gelegenheit ging es weniger förmlich zu als bei einer Abendgesellschaft, und man hatte weit mehr Gelegenheiten, mit den verschiedensten Menschen zu sprechen, da man nicht Sklave einer Tischordnung war. Gewöhnlich gab es dabei irgendeine Art von Unterhaltung: ein kleines Orchester, zu dessen Begleitung jemand sang, ein Streichquartett oder einen herausragenden Pianisten.
    Sie wusste, dass auch die Serracolds zu den Gästen gehörten. Sicherlich würden einige der anderen schon von Voiseys Rede gehört haben, so dass binnen etwa einer Stunde alle Anwesenden nicht nur wissen würden, auf welche Weise sich Aubrey törichterweise in den Zeitungen bloßgestellt hatte, sondern auch, wie glänzend Voisey das in seiner Ansprache pariert hatte. Damit drohte der Abend unangenehm zu werden, wenn nicht gar peinlich. Was auch immer Jack zu unternehmen
gedachte, er würde einfach nicht genug Zeit haben, sich in Ruhe zu entscheiden.
    Gern hätte sie mit Charlotte über all das gesprochen. So ungerecht das war, ärgerte sie sich über die Abwesenheit der Schwester. Schließlich kannte sie außer ihr niemanden, dem sie ihre Empfindungen, ihre Zweifel und ihre Fragen hätte anvertrauen können.
    Wie immer kleidete sie sich sorgfältig an. Es war sehr wichtig, welchen Eindruck man auf andere machte, und ihr war schon lange bewusst, dass eine gut aussehende Frau bei einem Mann mehr zu erreichen vermag als eine unscheinbare. Auch war ihr klar, dass eine Frau anderen Menschen den Eindruck vermitteln konnte, weit schöner zu sein, als sie in Wirklichkeit war, wenn sie sich sorgfältig zurechtmachte, darauf achtete, dass ein Kleid ihr schmeichelte, und sie den Menschen voll Lebensbejahung entgegenlächelte. Sie entschied sich für ein eng tailliertes grünes Kleid mit weitem Rock – diese Farbe hatte ihr immer besonders gut gestanden. Selbst Jack, der sich finsteren Gedanken über Voisey hingab, riss bei ihrem Anblick die Augen auf und machte ihr Komplimente.
    »Danke«, sagte sie befriedigt. Zwar hatte sie sich zum Kampf gekleidet, doch war nach wie vor er die Eroberung, auf die es ihr am meisten ankam.
    Sie kamen eine Stunde nach der auf der Einladung angegebenen Zeit. Früher einzutreffen wäre in höchstem Grade unschicklich gewesen. Knapp zwei Dutzend andere Gäste waren teils unmittelbar vor ihnen, teils mit ihnen eingetroffen. Alle drängten sich im Vestibül und begrüßten einander. Die Damen entledigten sich

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