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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wunderbarerweise geboten hat, sondern Wray ermordet oder zumindest ermorden lassen? Erst mit Wrays Tod war seine Rache vollkommen. Wäre Wray nur unverschuldet ins Gerede gekommen durch meine Ermittlungen, stünde ich lediglich als Schurke da. Weil er aber umgekommen ist, macht sich das für Voisey doch viel besser, denn damit bin ich rettungslos verloren. Bestimmt schreckt ein solcher Mann nicht vor dem letzten Schritt zurück! Er hat es in Whitechapel ja auch nicht getan.«
    »Seine Schwester?«, fragte Cornwallis mit ungeheucheltem Entsetzen. »Ob er sie benutzt hat, um Wray zu töten?«
    »Möglicherweise hatte sie keine Ahnung von dem, was sie tat«, gab Pitt zu bedenken. »Es gibt praktisch keine Möglichkeit, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Soweit sie weiß, war sie lediglich Zeugin meiner Grausamkeit einem verletzlichen alten Mann gegenüber.«
    »Wie wollen wir das beweisen?«, sagte Tellman. »Es genügt nicht, dass wir es wissen! Es würde ihm den Genuss seines Sieges nur versüßen, wenn wir tatsächlich wüssten, was geschehen ist, und uns die Hände gebunden sind, dagegen anzugehen!«
    »Eine Obduktion«, sagte Pitt. Das schien die einzige Lösung zu sein.
    »Der wird man nie zustimmen.« Cornwallis schüttelte den Kopf. »Niemand will sie. Die Kirchenleute, die auf jeden Fall verhindern wollen, dass er als Selbstmörder gilt, haben Angst, dass es tatsächlich auf Selbstmord hinauslaufen könnte. Voisey wiederum befürchtet, dass dabei ein Mord bewiesen oder zumindest die Frage gestellt werden könnte, ob es sich um einen handelt.«
    Pitt stand auf. »Bestimmt gibt es eine Möglichkeit. Ich gehe zu Lady Vespasia, die soll dafür sorgen. Sofern es jemanden gibt, der die Sache in unserem Sinne vorantreiben kann, weiß sie bestimmt, wer das ist und wo man ihn findet.« Er sah erst zu Cornwallis und dann zu Tellman hin. »Danke«, sagte er, von aufrichtiger Dankbarkeit überwältigt. »Danke, dass Sie … gekommen sind.«
    Keiner der beiden sagte etwas darauf, weil jeder auf seine Weise um Worte verlegen war. Ihnen ging es nicht um Dank; sie hatten lediglich helfen wollen.
     
    Tellman kehrte auf dem kürzesten Wege in die Bow Street zurück, wo er um Viertel nach zehn eintraf. Der Dienst tuende Beamte sprach ihn an, doch ging er, ohne auf ihn zu achten, nach oben in Wetrons Büro, das einst Pitt gehört hatte. Es war ein merkwürdiger Gedanke, dass das erst wenige Monate her war. Jetzt wirkte der Raum fremd auf ihn, und der Mann darin war sein Feind. Verblüfft merkte er, dass ihm diese Vorstellung nicht im Geringsten schwerfiel.
    Er klopfte und hörte nach wenigen Augenblicken Wetrons Stimme, die ihn zum Eintreten aufforderte.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte er, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Morgen, Tellman.« Oberinspektor Wetron hob den Blick
von seinem Schreibtisch. Auf den ersten Blick wirkte er durchschnittlich, mittelgroß, mausgrau. Erst ein Blick in seine Augen zeigte den unbeirrbaren Willen des Mannes weiterzukommen und die eiserne Energie, die dahinterstand.
    Tellman schluckte und begann dann, seine Lügengeschichte vorzutragen. »Ich habe heute Morgen mit Pitt gesprochen. Er hat mir mitgeteilt, was er Mister Wray gesagt hat und warum Wray so außer sich war.«
    Sein Vorgesetzter sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Ich denke, je eher Sie sich und damit unsere Polizeieinheit von Mister Pitt lösen, desto besser, Inspektor. Ich werde eine Mitteilung an die Presse geben, dass er mit der Londoner Polizei nicht mehr das Geringste zu tun hat und wir für sein Handeln in keiner Weise verantwortlich sind. Mag sich der Sicherheitsdienst um ihn kümmern. Die sollen zusehen, dass sie ihn da heraushauen, sofern sie dazu überhaupt in der Lage sind. Der Mann ist eine Katastrophe.«
    Tellman stand regungslos da. Die Wut in ihm angesichts dieser neuen Ungerechtigkeit konnte jeden Augenblick explodieren. »Gewiss haben Sie Recht, Sir, aber ich denke dennoch, dass Sie wissen sollten, was er erfahren hat, bevor Sie weitere Schritte unternehmen.« Ohne auf Wetrons Ungeduld zu achten, die sich in einer steilen Falte zwischen den Brauen und rastlosen Bewegungen seiner Finger äußerte, fuhr er fort: »Es sieht ganz so aus, als hätte Mister Wray gewusst, wer der dritte Besucher war, der sich in der Mordnacht im Hause von Maude Lamont aufhielt.« Er holte zitternd Luft. »Es war jemand, den er kannte. Soweit ich weiß, ist es ebenfalls ein Vertreter der anglikanischen Kirche.«
    »Was?«

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