Feinde der Krone
Jetzt hatte er Wetrons Aufmerksamkeit geweckt, wenn dieser ihm auch noch nicht glaubte.
Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt er Wetrons forschendem Blick stand. »Ja, Sir. Offenbar befindet sich unter den Notizen dieser Miss Lamont ein Beweis dafür, den wir erst jetzt zuordnen können, seit wir wissen, wen sie damit gemeint hat.«
»Stehen Sie doch nicht herum und reden in Rätseln, Mann!«, fuhr ihn Wetron an. »Sagen Sie lieber, worum es sich handelt.«
»Das ist es gerade, Sir. Ganz sicher kann Mister Pitt erst sein, wenn er die Papiere in Miss Lamonts Haus noch einmal gesichtet hat.« Rasch sprach er weiter, bevor ihn Wetron erneut unterbrechen konnte. Er zwang sich, seine Stimme erregt klingen zu lassen. »Es wird trotzdem schwer sein, den Beweis zu führen. Aber wenn wir allen Zeitungen die Nachricht zuspielen, dass wir das Material besitzen, wird sich der Mann wahrscheinlich dadurch verraten, dass er das Haus in der Southampton Row aufsucht. Er dürfte der Mörder sein. Natürlich brauchen wir Mister Pitt nicht namentlich zu erwähnen, falls Ihnen das nicht richtig erscheint …«
»Ja, ja, Tellman, Sie brauchen mir das nicht so genau zu erklären!« , sagte Wetron unwirsch. »Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Lassen Sie mich darüber nachdenken.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Ich denke, wir lassen Pitt dabei tatsächlich aus dem Spiel. Gehen Sie in die Southampton Row. Schließlich ist es Ihr Fall.« Er achtete aufmerksam auf Tellmans Reaktion.
Tellman zwang sich zu einem Lächeln. »Ja, Sir. Ich weiß sowieso nicht, warum der Sicherheitsdienst seine Finger in der Sache hat – außer es hätte mit Sir Charles Voisey zu tun.«
Wetron saß reglos da. »Was könnte das mit Voisey zu tun haben? Sie wollen damit doch wohl nicht andeuten, dass er sich hinter der Kartusche versteckt?«, fragte er mit vor Spott triefender Stimme und herablassendem mitleidigen Lächeln.
»Aber nein, Sir«, gab Tellman rasch zurück. »Wir sind ziemlich sicher, dass Maude Lamont manche ihrer Klienten erpresst hat. Das gilt auf jeden Fall für die drei, die am Abend ihrer Ermordung bei ihr waren.«
»Womit?«, erkundigte sich Wetron.
»Es ging dabei um verschiedene Dinge, aber nicht um Geld. Beispielsweise um ein bestimmtes Verhalten im Wahlkampf, das Sir Charles Voisey zugute kam.«
Wetrons Augen weiteten sich. »Tatsächlich? Das ist eine sonderbare Beschuldigung, Tellman. Ich hoffe, Ihnen ist klar, um wen es sich bei Sir Charles handelt?«
»Selbstverständlich, Sir. Um einen ehemaligen hochrangigen Richter am Appellationsgericht, der jetzt für das Unterhaus
kandidiert und den Ihre Majestät kürzlich in den Adelsstand erhoben hat. Allerdings kenne ich den Grund dafür nicht. Es heißt, er habe sich in einer schwierigen Situation besonders tapfer verhalten.« Er sagte das ehrfurchtsvoll und merkte, wie Wetron die Lippen aufeinander presste und sich seine Nackenmuskeln wie Drahtseile spannten. Ob Lady Vespasia mit ihrer Vermutung Recht hatte?
»Und meint Pitt, es gebe Grund anzunehmen, dass sich das so verhält?«, fragte Wetron.
»Ja, Sir.« Tellman achtete sorgfältig darauf, seine Stimme nicht zu sicher klingen zu lassen. »Es gibt ein ziemlich eindeutiges Bindeglied, und alles passt bestens zueinander. Wir sind so nahe dran!« Er hielt Daumen und Zeigefinger im Abstand von zwei Zentimetern hoch. »Wir müssen nur diesen Mann ans Licht bringen, dann können wir es beweisen. Mord ist immer und unter allen Umständen ein übles Verbrechen, vor allem dieser. Die Frau ist erstickt worden, und zwar vermutlich dadurch, dass ihr der Täter ein Knie auf die Brust setzte und ihr das Zeug in den Hals stopfte, bis sie tot war.«
»Schon gut, Sie brauchen es mir nicht in allen Einzelheiten auszumalen, Inspektor«, sagte Wetron schroff. »Ich werde die Presse verständigen. Sehen Sie zu, dass Sie den Beweis finden, den Sie brauchen.« Er beugte sich über die Akte, mit der er sich beschäftigt hatte, bevor ihn Tellman unterbrach. Er konnte gehen.
»Sehr wohl, Sir.« Tellman nahm Haltung an und wandte sich auf dem Absatz um. Erst auf halber Treppe stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus und entspannte sich, wobei ihn ein leichter Schauer überlief.
Kapitel 13
P itt kehrte auf kürzestem Wege zu Vespasia zurück. Diesmal übergab er dem Dienstmädchen eine Mitteilung, die er geschrieben hatte, und wartete im Empfangszimmer.
Als sich die Tür öffnete, fuhr er herum. Er erwartete, das Mädchen zu sehen, das ihm entweder
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