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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wenig zu entspannen. Keine der Schwierigkeiten, die er sich ausgemalt hatte, war eingetreten.
    Das Fuhrwerk hielt so plötzlich an, dass Tellman fast vom Bock gefallen wäre. Im letzten Augenblick hielt er sich am eisernen Geländer des Sitzbretts fest.
    Gracie stieß einen erstickten Schrei aus.
    »Was gibt es?«, fragte Charlotte.
    Jemand hatte ihnen den Weg vertreten. So sehr Tellman in die Finsternis spähte, er konnte lediglich einen dunklen Umriss ausmachen. Dann sagte eine Stimme, die kaum mehr als Armeslänge entfernt zu sein schien: »Wohin wollen Sie denn um diese nächtliche Stunde? Mistress Pitt, nicht wahr? Aus Harford? Um diese Zeit sollten Sie nicht unterwegs sein. Sie könnten einen Unfall haben oder sich verirren.« Es war eine tiefe Männerstimme, in der Spott mitschwang.
    Tellman hörte, wie Gracie ängstlich keuchte. Offenbar kannte der Fremde Charlotte, sonst hätte er ihren Namen nicht nennen können. Bedeutete das Gefahr? War das der Mann, der sie in Voiseys Auftrag beobachtet hatte?
    Das Pferd schüttelte den Kopf, als halte jemand es am Zaum.
Tellman konnte nach wie vor nichts sehen und hoffte, der Mann könne ihn wegen der Dunkelheit ebenfalls nicht sehen. Woher wusste er, wen er vor sich hatte? Er musste den Aufbruch beobachtet haben und vorausgeritten sein, weil ihm klar war, dass sie hier entlangkommen würden. Sofern er gesehen hatte, wie Tellman zu dem Haus ging und dann Kisten hinaustrug, bedeutete das, dass er die ganze Zeit dort gewesen war. Es musste sich um Voiseys Zuträger handeln, der ihnen an diese einsame Stelle auf dem Weg von Harford nach Ivybridge vorausgeeilt war, um sie dort abzufangen, wo es keine Zeugen und keine Hilfe gab. Und die Frauen hatten niemanden  – außer Tellman. Die ganze Verantwortung lastete auf seinen Schultern.
    Was konnte er nur als Waffe benutzen? Er erinnerte sich, dass er eine Steingutflasche mit Essig eingepackt hatte. Sie war zwar halb leer, aber immer noch schwer genug. Er wagte nicht, Gracie laut danach zu fragen. Der Mann würde ihn hören. Und er wusste nicht, wie sie den Korb gepackt hatte!
    Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Essig.«
    »Wa … ach so.« Sie verstand. Sie rutschte ein wenig nach hinten und tastete nach der Flasche. Um die Geräusche zu übertönen, kletterte Tellman vom Kutschbock herunter. Mit den Händen tastete er sich an der Wagenwand entlang um das Fuhrwerk herum nach hinten. Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte er in der Finsternis die Gestalt eines Mannes vor sich. Dann spürte er etwas Glattes auf seinem Unterarm und Gracies Atem auf seiner Wange. Er nahm ihr die Essigflasche aus der Hand. Er konnte den dunklen Umriss Charlottes sehen, die ihre Arme um die Kinder gelegt hatte.
    »Sie wieder!«, ertönte Gracies Stimme deutlich neben ihm. Damit wollte sie die Aufmerksamkeit des Mannes, der das Pferd hielt, auf sich lenken. »Was treiben Sie hier mitten in der Nacht? Wir haben einen Notfall in der Familie. Sie etwa auch?«
    »Wie schrecklich«, gab der Mann zur Antwort. Seiner Stimme war nicht zu entnehmen, wie er das meinte. »Sie fahren also nach London zurück?«
    »Wir haben nie gesagt, dass wir aus London sind!«, stieß Gracie
hervor. Tellman hörte Angst in ihrer Stimme, die schriller als sonst war und ein wenig zitterte. Jetzt war er nur noch einen Schritt von dem Mann entfernt. Die Essigflasche wog schwer in seiner Hand. Er holte aus, und als hätte der Mann die Bewegung aus dem Augenwinkel gesehen, fuhr er herum und versetzte Tellman einen solchen Fausthieb, dass er rückwärts zu Boden taumelte. Die Steingutflasche entfiel seiner Hand und rollte ins Gras.
    »O nein, mein Herr, so nicht!«, sagte der Mann, dessen Stimme mit einem Mal voll Wut und Gemeinheit war. Im nächsten Augenblick spürte Tellman ein erdrückendes Gewicht auf sich, so dass er keine Luft mehr bekam. Ihm war klar, dass er dem anderen an Körperkraft unterlegen war, doch er war auf den Straßen der Armenviertel aufgewachsen und hatte einen ausgeprägten Überlebensinstinkt. Noch stärker aber war sein unbedingter Wille, Gracie zu beschützen … und natürlich Charlotte und die Kinder. Er stieß dem Mann das Knie zwischen die Beine und hörte ihn keuchen, dann fuhr er ihm mit gespreizten Fingern in die Augen. Der Kampf war kurz und heftig. Mit einem Mal ertastete seine Hand die Essigflasche, die nicht zerbrochen war. Er schlug sie seinem Gegner über den Schädel und setzte ihn damit endgültig außer Gefecht.
    Er

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