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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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es nur noch rund vier Meter bis zur Hintertür des Hauses und zum Fenster der Spülküche. Durch das Küchenfenster konnten sie schemenhaft den Umriss von Lena Forrest sehen. Vermutlich machte sie sich Frühstück, um sich für die bevorstehenden Arbeiten im Hause zu stärken. Jetzt, da sie sich um niemanden mehr zu kümmern brauchte, mussten die Tage für sie langweilig und öde sein. Niemand durfte erwarten, dass sie noch lange in diesem Hause blieb.
    »Warum haben Sie nach Seilspuren gesucht ?«, fragte Narraway.
    »Haben Sie welche gesehen?«, gab Pitt zurück.
    »Ja, aber kaum wahrnehmbar, eher von einer dünnen Schnur als von einem kräftigen Seil. Was soll daran gehangen haben? Hat es etwas mit ›Kartusche‹ zu tun?«
    »Nein.«
    Beide hörten das metallische Geräusch im selben Augenblick. Ein Schlüssel wurde im Schloss der Gartentür gedreht. Sofort glitten sie hinter das dichte Laub, und Pitt merkte, dass er den Atem anhielt.
    Eine Weile hörte man nichts, dann drehte sich der Schlüssel erneut, und mit leisem Klicken wurde der Riegel vorgeschoben. Die erwarteten Schritte auf dem Gras blieben aus.
    Sie warteten. Die Sekunden verstrichen. Wartete der Besucher etwa auch, oder war er geräuschlos vorübergeglitten und befand sich bereits im Hause?
    Narraway schob sich mit äußerster Vorsicht vor, bis er die Längsseite des Hauses erkennen konnte. »Er ist durch die Terrassentür hineingegangen«, sagte er leise. »Ich kann ihn im Salon sehen.« Er richtete sich auf. »Hier draußen haben wir keine Deckung, deshalb ist es besser, hinten herum zu gehen. Falls wir dabei Lena Forrest begegnen, müssen wir ihr die Situation erklären.« Ohne auf eine Antwort zu warten, rannte Narraway über die freie Fläche zur Tür der Spülküche und blieb unmittelbar davor stehen.
    Einen Augenblick lang überlegte Pitt, ob es nicht besser gewesen wäre, für den Fall, dass der Mann durch die Haustür zu entkommen versuchte, einen Polizeibeamten davor zu postieren. Andererseits stand zu befürchten, dass er nicht gekommen wäre, wenn er jemanden auf der Straße gesehen hätte, und der ganze Aufwand wäre vergeblich gewesen.
    Eine andere Möglichkeit bestand darin, dass einer von ihnen im Garten blieb, doch gäbe es in dem Fall keinen Zeugen, sofern der Mann etwas sagte oder das Hausmädchen etwas tat. Er eilte über die offene Rasenfläche zu Narraway.
    Dieser spähte vorsichtig durch das Fenster in die Spülküche. »Hier ist niemand drin«, sagte er und drückte die Tür auf. Der kleine Raum enthielt Vorratsregale, Abfalleimer, einen Sack Kartoffeln, Küchengeschirr sowie einen Waschzuber und ein Spülbecken.
    Sie gingen die Stufen zur Küche empor. Nach wie vor war niemand zu sehen. Vermutlich hatte Lena den Eindringling gehört und war in den Salon gegangen. Auf Zehenspitzen schlichen sich Pitt und Narraway durch den Flur und blieben unmittelbar vor der Tür stehen, die nur angelehnt war. So konnten sie deutlich hören, was im Inneren gesagt wurde. Ein Mann erklärte mit volltönender Stimme, in der allerdings ein Anflug von Erregung mitschwang: »Mir ist bekannt, dass es noch weitere Papiere gibt, Miss Forrest. Versuchen Sie nicht, mich hinters Licht zu führen.«
    Darauf hörte man Lenas Stimme. Sie klang überrascht und ein wenig ärgerlich. »Die Polizei hat alles mitgenommen, was mit Miss Lamonts Klienten zu tun hat. Hier sind nur noch Lieferantenrechnungen, und auch nur die aus der letzten Woche. Alle früheren sind bei den Anwälten, denn sie gehören zur Erbmasse.«
    Der Mann, dessen Sprechweise unüberhörbar gebildet war, sagte jetzt: »Sofern Sie annehmen, mich ebenfalls erpressen zu können, Miss Forrest, sind Sie sehr im Irrtum. Ich werde das nicht zulassen. Ich denke nicht daran, noch einmal unter Zwang zu handeln, haben Sie mich verstanden? Kein Wort, weder schriftlich noch mündlich.« In seiner Stimme mischten sich Wut und Angst.
    Narraway spähte durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen, und da er vor Pitt stand, konnte dieser nichts sehen. Nach kurzem Schweigen sagte Lena verachtungsvoll: »So, sie hat Sie also erpresst. Haben Sie solche Angst vor dem, was sie über Sie wusste, dass Sie die Papiere beiseite schaffen wollen, damit niemand etwas über Sie erfährt?«
    »Mir ist jetzt alles gleichgültig, Miss Forrest!« Es klang wild und unbeherrscht.
    Pitt erstarrte. War die Frau womöglich in Gefahr? Hatte dieser Mann Maude Lamont getötet, weil sie ihn erpresst hatte? War er entschlossen, falls ihn

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