Feinde der Krone
Damen, diese Vögel zu meiden, da der haut goût für schlechten Atem sorgen konnte. Sie hatte sich immer gefragt, wieso das bei Männern als annehmbar galt. Einmal hatte sie ihren Vater danach gefragt, woraufhin er sie verblüfft angesehen hatte. Ihm war diese Ungerechtigkeit noch gar nicht aufgefallen.
Da sie ihrer Ansicht nach nicht alt genug war, sich darüber hinwegzusetzen, ließ sie auch diesen Gang aus. Sie hoffte, dafür nie alt genug zu sein.
Als Nächstes konnte man zwischen Halbgefrorenem, Nektarinenmus, Meringen und Erdbeergrütze wählen. Sie entschied sich für Letztere und aß sie, wie es der gute Ton verlangte, mit der Gabel, was ohne eine gewisse Übung und Konzentration alles andere als einfach war.
Nach dem Käsegang wurde Eis der verschiedensten Geschmacksrichtungen
aufgetragen, darunter auch Fürst-Pückler-Eis, und zum Schluss gab es Erdbeeren, Aprikosen, Melonen und Ananas, vermutlich aus dem Gewächshaus. Belustigt betrachtete Emily die verschiedenen Techniken, die angewandt wurden, um diese Früchte mit Messer und Gabel zu schälen und zu verzehren. Mehr als einer der Anwesenden hatte allen Grund, seine Wahl zu bedauern, vor allem jene, die sich für Aprikosen entschieden hatten.
Das Gespräch kam wieder in Gang. Es war ihre Aufgabe, bezaubernd zu sein, ihren Nachbarn mit Aufmerksamkeit zu schmeicheln, sie zu erheitern und vor allem selbst erheitert zu scheinen. Für einen Mann gab es kein größeres Kompliment, als wenn ihn eine Frau interessant fand, und Emily wusste, dass kaum einer von ihnen dieser Versuchung widerstehen konnte. Es war verblüffend zu sehen, wie viel ein Mann von sich preisgab, wenn man ihn einfach reden ließ.
Hinter all den Plänen, all der zur Schau getragenen Selbstsicherheit und prahlerischen Kühnheit erkannte Emily ein tief sitzendes Unbehagen, und immer mehr ging ihr auf, dass diese Männer, welche die Zügel der Macht in Händen hielten und alle damit verbundenen Feinheiten und Schwierigkeiten kannten, diese Wahl auf keinen Fall verlieren, sie aber offenbar auch nicht unbedingt gewinnen wollten. Es war eine sonderbare Situation, die ihr Kopfschmerzen bereitete, weil sie sie nicht verstand. Sie hörte eine ganze Weile zu, bis sie merkte, dass jeder zur Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes gewissermaßen seinen eigenen Kampf zu gewinnen trachtete, nicht aber den Krieg. Allem Anschein nach waren sie nicht sicher, wie sie mit der Beute umgehen sollten, die dem Sieger zufallen würde.
Das Lachen um sie herum klang brüchig, und in den Stimmen schwangen allerlei Gefühlsregungen mit. Das Licht glänzte auf Schmuck, Weingläsern und dem auf Hochglanz polierten Silberbesteck. Der kräftige Geruch der Speisen vermischte sich mit dem schweren Duft der Tischdekoration aus Geißblattranken.
»Er hat mir gesagt, dass lange Erfahrung, viel Mut, kühle Selbstbeherrschung und ein großes Maß an Geschick nötig
seien, um sie anzugehen und zu erledigen, ohne sich selbst oder dem Nachbarn zu schaden«, sagte Rose mit glänzenden Augen.
»In diesem Fall, meine Dame, sollten Sie solch gefährliche Beute lieber einem erfahrenen und kräftigen Jäger überlassen, der ein sicheres Auge und ein tapferes Herz besitzt«, riet der Mann neben ihr mit Nachdruck. »Ich schlage vor, dass Sie sich mit der Fasanenjagd oder einem anderen Sport begnügen.«
»Mein lieber Oberst Bertrand«, sagte Rose betont unschuldig. »Hier handelt es sich um die Vorschriften für den Verzehr einer Orange!«
Der Oberst wurde puterrot, während um ihn herum schallendes Gelächter ertönte.
»Ich bitte aufrichtig um Entschuldigung!«, sagte Rose, sobald sie sich wieder Gehör verschaffen konnte. »Ich fürchte, ich habe mich nicht deutlich ausgedrückt. Das Leben ist voll der verschiedensten Gefahren; man weicht einer Fallgrube aus, nur um in die nächste zu stürzen.«
Mehr als einem war aufgefallen, mit welcher Herablassung der Oberst sie behandelt hatte, und so schlug sich auch niemand auf seine Seite. Lady Warden hörte den Rest des Abends überhaupt nicht mehr auf zu kichern.
Am Ende der Mahlzeit schließlich zogen sich die Damen zurück, damit die Herren ihren Portwein genießen und, wie Emily nur allzu gut wusste, ernsthafte politische Gespräche führen konnten über die richtige Taktik, Geld und vor allem darüber, wie die Dienste aufgerechnet werden sollten, die man einander erwies. Das war der eigentliche Zweck der ganzen Abendgesellschaft.
Anfangs saß sie mit einem halben Dutzend
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