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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sie ein bisschen durcheinander, macht aber sonst einen ganz vernünftigen Eindruck. Vermutlich ist ihr noch gar nicht aufgegangen, was das hier für sie bedeutet. Ich nehme an, es gibt keinen Grund, sie daran zu hindern, noch eine Weile hier zu bleiben, sobald wir das Haus vollständig durchsucht und diesen Raum hier womöglich versiegelt haben, oder? Zumindest, bis sie eine andere Anstellung gefunden hat.«
    »Nein«, stimmte ihm Pitt zu. »Das dürfte das Beste sein. Dann wissen wir auch, wo wir sie finden, falls wir sie noch einmal befragen wollen. Ich gehe jetzt in die Küche, um mit ihr zu sprechen. Ich kann nicht gut von ihr verlangen, dass sie herkommt.« Mit einem Blick auf die Tote ging er zur Tür. Tellman folgte ihm nicht. Er würde seine Männer damit beauftragen, weitere Schritte zu unternehmen. Zwar war die Tat vermutlich nach Eintritt der Dunkelheit geschehen, so dass kaum Aussicht bestand, dass jemand etwas beobachtet hatte, aber er würde trotzdem die Nachbarn befragen lassen.
    Pitt ging durch den Flur an mehreren Räumen vorüber zum hinteren Teil des Hauses. Durch die letzte, offen stehende Tür sah er Sonnenlicht auf einem gescheuerten Dielenboden tanzen. Er blieb in der Tür stehen. Die Küche war sauber, ordentlich und warm. Aus einem Wasserkessel, der auf dem schwarzen Herd stand, stieg Dampf auf. Eine hoch gewachsene, recht dünne Frau stand mit bis über die Ellbogen aufgerollten Ärmeln am Spülstein und hatte die Hände im Seifenwasser. Sie rührte sich nicht, als habe sie vergessen, was sie tun wollte.
    »Miss Forrest?«, fragte Pitt.
    Sie wandte sich langsam um. Er schätzte sie auf Ende vierzig.
Das braune Haar, das an den Schläfen grau wurde, hatte sie hinten hochgesteckt. Sie hatte ein auffälliges Gesicht mit einer geraden, aber ziemlich kleinen Nase. Obwohl ihr breiter Mund wohlgeformt war, war sie nicht schön, sondern eher hässlich.
    »Ah, sind Sie auch Polizist?« Sie sprach mit leichtem Lispeln. Zögernd nahm sie die Hände aus dem Wasser.
    »Ja«, sagte Pitt. »Es tut mir Leid, Ihnen trotz Ihres Kummers weitere Fragen stellen zu müssen, aber wir können es uns nicht leisten, auf einen günstigeren Zeitpunkt zu warten.« Er kam sich bei diesen Worten ein wenig töricht vor. Die Frau schien vollkommen beherrscht, aber er wusste, dass der Schock unterschiedlich auf die Menschen wirkt. Gerade, wenn er besonders stark war, gab es mitunter keinerlei äußerliche Hinweise. »Ich heiße Pitt. Nehmen Sie doch bitte Platz, Miss Forrest.«
    Mechanisch trocknete sie sich die Hände an einem Handtuch, das über einer Messingstange vor dem Herd hing. Dann setzten sie sich auf die Küchenstühle.
    »Was wollen Sie wissen?«, fragte sie. Dabei sah sie ihn nicht an, sondern richtete ihren Blick über seine rechte Schulter. Er sah sich in der Küche um. Überall herrschte Ordnung. Porzellangeschirr stand auf der Anrichte, und auf einem der breiten Fensterbretter lag ein Stapel frisch gebügelter Wäsche zum Einräumen bereit. Weitere Wäschestücke hingen auf dem bis zur Decke emporgezogenen Trockengestell. Der Kokseimer neben der Hintertür war gefüllt. Der schwarze Herd glänzte wie frisch poliert. Lichtreflexe brachen sich im Kupfergeschirr, das vom Deckenbalken hing, und ein schwacher Hauch von Gewürzen lag in der Luft. Nur Lebensmittel waren weder zu sehen noch zu riechen. Dies Haus erfüllte keinen Zweck mehr.
    »Sind Miss Lamonts Gäste einzeln oder gemeinsam gekommen?« , begann Pitt.
    »Einzeln«, antwortete sie. »Und soweit ich weiß, sind sie auch einzeln wieder gegangen. Bei der Séance waren sie natürlich alle zusammen.« Ihre Stimme klang ausdruckslos, als bemühe sie sich, ihre Gefühle zu verbergen. Geschah das, um sich selbst oder ihrer Herrin etwas zu ersparen – vielleicht Lächerlichkeit?
    »Haben Sie sie gesehen?«
    »Nein.«
    »Es wäre also möglich, dass sie gemeinsam gekommen sind?«
    »Miss Lamont hat mich beauftragt, den Seiteneingang zum Cosmo Place zu entriegeln, durch den sie bestimmte Gäste einließ«, gab sie zur Antwort. »Deshalb habe ich angenommen, dass gestern Abend welche von denen da waren, die nicht gesehen werden wollen.«
    »Gibt es viele davon?«
    »Vier oder fünf.«
    »Sie haben also dafür gesorgt, dass sie vom Cosmo Place aus ins Haus gelangten und nicht durch die Haustür an der Southampton Row? Erklären Sie mir bitte, wie das funktioniert.«
    Sie hob den Blick und sah ihn an. »In der Mauer ist eine kleine Tür, die auf den Platz führt.

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