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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wie eine Herausforderung hervor, als erwarte er von Pitt, dass er es ihm erklärte. Er war über die ganze Angelegenheit zutiefst unglücklich, doch hatte sich seine Einstellung dem Thema gegenüber nach ihrer vorigen Begegnung unübersehbar geändert. Vermutlich hatte es mit etwas zu tun, was er seither erfahren hatte.
    »Was hat sie diesen Leuten gesagt, und auf welche Weise?«, wollte Pitt wissen.
    Tellman sah ihn finster an. »Geister sollen aus ihrem Mund gekommen sein«, sagte er und wartete auf den Spott, der seiner Meinung nach nicht ausbleiben konnte. »Irgendwie verschwommen… aber die Leute waren ganz sicher, dass es sich dabei um das Gesicht von Menschen handelte, die sie kannten.«
    »Und wo befand sich Maude Lamont dabei?«, fragte Pitt weiter.
    »Auf ihrem Stuhl am Kopfende des Tisches oder in einer Art Schrank, den man speziell gebaut hatte, damit ihre Hände nicht hinauskonnten. Sie hatte das selbst angeregt, damit ihr die Leute nicht misstrauten.«
    »Was hat sie dafür verlangt?« Er trank seinen Tee.
    »Jemand sagte zwei Guineen, jemand anders fünf«, gab Tellman zur Antwort und biss sich auf die Lippe. »Aber solange es zur Unterhaltung diente und niemand Klage gegen sie erhob, hätten wir nichts unternehmen können. Einen Geisterbeschwörer, für den die Leute freiwillig zahlen, kann man nicht gut festnehmen. Vermutlich ist das ein gewisser Trost … oder?«
    »Das gehört wahrscheinlich in dieselbe Schublade wie Wundermittel, die man auf dem Jahrmarkt kauft«, sagte Pitt nachdenklich. »Wer daran glaubt, dass ihn die von seinen Kopfschmerzen befreien und er in Zukunft besser schläft, dem helfen sie vielleicht auch. Und warum sollte man Leuten verbieten, so etwas auszuprobieren?«
    »Weil es Unsinn ist!«, gab Tellman heftig zurück. »Die Frau verdiente ihren Lebensunterhalt dank der Leichtgläubigkeit von Menschen, die es nicht besser wissen, und sagte ihnen, was sie hören wollten. Das könnte doch jeder.«
    »Wirklich?«, fragte Pitt rasch. »Lassen Sie Ihre Männer die Leute noch einmal gründlich befragen. Wir müssen unbedingt herausfinden, ob sie Dinge wusste, die nicht allgemein bekannt waren und bei denen man nicht sagen kann, wie sie davon erfahren haben könnte.«
    Ungläubig und beunruhigt riss Tellman die Augen auf.
    »Falls sie einen Informanten hatte, möchte ich wissen, wer das ist!«, sagte Pitt kurz angebunden. »Und damit meine ich einen Menschen aus Fleisch und Blut.«
    Erleichterung trat auf Tellmans Züge, dann wurde er puterrot.
    Pitt lächelte breit. Es war das erste Mal, dass er etwas lustig fand, seit ihm Cornwallis mitgeteilt hatte, er sei erneut zum Sicherheitsdienst abgeordnet. »Vermutlich haben Sie bereits herumgefragt, ob man an jenem oder einem anderen Abend in der Nähe von Cosmo Place jemanden gesehen hat«, fuhr er fort, »der unser unbekannter Besucher sein könnte.«
    »Selbstverständlich! Dafür habe ich schließlich meine Leute«, gab Tellman bissig zurück. »So schnell können Sie das doch nicht vergessen haben! Ich begleite Sie zu diesem Generalmajor Kingsley. Zwar bin ich sicher, dass Sie ihn richtig einschätzen werden, aber ich möchte mir ein eigenes Urteil bilden.« Sein Mund wurde schmal. »Außerdem ist er einer von lediglich zwei Zeugen für das, was bei dieser … Séance passiert ist.« An der Art, wie er das Wort förmlich ausspie, war seine ganze Wut und Enttäuschung darüber zu erkennen, dass er sich mit Menschen herumschlagen musste, die sich freiwillig zum Narren machten und ihn die Folgen ausbaden ließen. Er war weder bereit, Verständnis für sie aufzubringen, noch gar Mitleid für sie zu empfinden. Von seinem Gesicht ließ sich deutlich ablesen, wie sehr er sich bemühte, die Sache nicht an sich herankommen zu lassen, doch war zugleich unübersehbar, dass er diesen Kampf bereits verloren hatte.
    Pitt suchte auf dem Gesicht seines Gegenübers nach Hinweisen auf Angst oder Aberglauben, fand aber nicht die geringste Spur davon. Er stellte seine leere Tasse ab.
    »Was ist?«, fragte Tellman.
    Pitt lächelte, nicht belustigt, sondern freundschaftlich, was ihn selbst überraschte. »Nichts«, sagte er. »Wir wollen uns jetzt diesen Kingsley vornehmen, um zu erfahren, was er bei Miss Lamont wollte und was sie für ihn tun konnte – vor allem an dem Abend, den sie nicht überlebt hat.« Er wandte sich um und ging zur Haustür. Nachdem Tellman hinausgegangen war, schloss er sie ab.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte der Postbote munter.

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