Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
unzufrieden.
    »Was halten Sie davon?«, fragte Tellman, kaum dass sie vor dem Haus waren und im Sonnenschein auf die Straße zugingen. »Wie kommt so ein Mann dazu, eine solche … eine solche … Frau aufzusuchen?« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie sie es gemacht hat, aber es muss ein Täuschungsmanöver gewesen sein. Wie ist es möglich, dass ein gebildeter Mensch so etwas nicht in wenigen Augenblicken durchschaut. Wenn die Männer an der Spitze unseres Heeres an diese Art von … Märchen glauben …«
    »Bildung schützt weder vor Einsamkeit noch vor Kummer«, gab Pitt zur Antwort. Trotz seiner realistischen Einstellung gegenüber so vielen Dingen war Tellman nach wie vor von einer gewissen Naivität. Das ärgerte Pitt, doch konnte er Tellman gerade deswegen gut leiden, denn er war durchaus lernwillig. »Jeder von uns findet seine eigenen Möglichkeiten, solchen Wunden Linderung zu verschaffen, jeder tut, was in seinen Kräften steht.«
    »Wenn ich jemanden verlieren würde und mich auf diesem Wege trösten wollte«, sagte Tellman nachdenklich, den Blick auf den Gehsteig geheftet, »und dabei merken würde, dass mich jemand hereingelegt hat, ich weiß nicht, ob ich nicht den Kopf verlieren und so jemandem den Hals umdrehen würde. Wenn nun… jemand geglaubt hat, das weiße Zeug wäre ein Teil eines Geistes gewesen oder was auch immer, und ihr das in den Mund zurückgeschoben hat, gilt das dann als Mord oder als Unfall?«
    »Sofern es sich so verhielte, wären drei Personen an Ort und Stelle gewesen, von denen mindestens zwei einen Arzt oder die Polizei gerufen hätten. Sollten aber alle drei an der Sache beteiligt sein, hätten wir es mit einer Verschwörung zu tun, ob absichtlich oder nicht.«
    Knurrend trat Tellman einen kleinen Stein in die Gosse.
»Vermutlich suchen wir als Nächstes Mistress Serracold auf?«
    »Ja, vorausgesetzt, sie ist zu Hause. Andernfalls warten wir auf sie.«
    »Ich nehme an, Sie wollen auch diese Befragung selbst durchführen?«
    »Nein, ich will nicht, werde es aber tun. Ihr Mann kandidiert für das Unterhaus.«
    »Haben die irischen Bombenleger es auf ihn abgesehen?« Auch wenn in Tellmans Stimme ein Anflug von Sarkasmus lag, war es doch eine ernst gemeinte Frage.
    »Nicht, soweit ich weiß«, gab Pitt trocken zurück. »Ich möchte das auch eher bezweifeln, denn er tritt für die Unabhängigkeit Irlands ein.«
    Wieder knurrte Tellman leise vor sich hin.
    Pitt fragte ihn lieber nicht, worauf er sich damit bezog.
     
    Sie mussten fast eine Stunde lang in einem tiefroten Empfangszimmer warten, bis Rose Serracold kam. Auf dem Tisch in der Mitte des Raumes stand eine Kristallschale mit rosa Rosen. Pitt musste lächeln, als er sah, wie Tellman zusammenzuckte. Es war ein ungewöhnlicher Raum, der auf den ersten Eindruck überwältigte. An den Wänden hingen üppige Gemälde, die mit einer schlichten weißen Kaminumrandung kontrastierten. Doch nach einer Weile fand Pitt den Raum immer angenehmer. Er blätterte in den herrlichen Alben, die auf einem niedrigen Tischchen lagen, damit sich Wartende die Zeit vertreiben konnten. Eines enthielt botanische Sammelstücke, und neben jedem beschrieb ein in sauberer, ziemlich überspannt wirkender Handschrift abgefasster Text kurz die Pflanze, erklärte die Bedeutung ihres Namens und wies darauf hin, wo sie üblicherweise vorkam sowie wann und von wem sie ins Land gebracht worden war. Pitt, der sich gern mit seinem eigenen Garten beschäftigte, sofern ihm Zeit dazu blieb, war fasziniert. Er dachte an die außergewöhnlich mutigen Männer, die in Indien, Nepal, China und Tibet auf hohe Berge gestiegen waren, um immer noch schönere Blüten zu entdecken, die sie liebevoll nach England zurückgebracht hatten.
    Unruhig schritt Tellman auf und ab. Er blätterte flüchtig in dem anderen Album, das Aquarelle verschiedener englischer Seebäder enthielt. Zwar waren sie durchaus hübsch, interessierten ihn aber nicht sonderlich. Etwas anderes wäre es vielleicht gewesen, wenn sich darunter eine Ansicht des Dörfchens in Dartmoor befunden hätte, in dem sich Gracie und Charlotte mit den Kindern aufhielten. Andererseits wusste er nicht einmal den Namen jenes Ortes. Er ließ seine Gedanken umherschweifen, versuchte sich vorzustellen, was sie gerade tun mochten, während er in diesem fremdartigen Raum stand. Würde Gracie viel arbeiten müssen, oder hatte sie Zeit, ihr Leben zu genießen und im Sonnenschein über die Hügel zu wandern? Er sah sie

Weitere Kostenlose Bücher